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Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)

Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition)

Titel: Vergesst Auschwitz!: Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk M. Broder
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das ehemalige KZ Dachau kommen jedes Jahr über 800.000 Besucher.
    Erinnerung, so scheint es, ist erste Bürgerpflicht. Dennoch hatte Eike Geisel Recht, als er vor mehr als 20 Jahren schrieb: » Keine Gemeinde ist mehr ohne Judenreferent, jeder Sender hat seinen Vernichtungsexperten – die Nazis hätten sich die Finger nach so viel Fachleuten geleckt. Durch deren vereinigte Anstrengung gibt es zwar in der Bundesrepublik nicht weniger Antisemiten, nur weniger Arbeitslose, aber es wird durch sie noch einmal bestätigt, was zur Erfahrung der letzten Jahrzehnte gehörte: dass Erinnerung in Deutschland die höchste Form des Vergessens darstellt.«
    Trotzdem: Ich weiß sehr wohl, dass viele, vor allem junge Deutsche, es durchaus ernst meinen mit dem Gedenken und dem »Nie wieder« und dass ihnen nicht bewusst ist, wessen Handwerk sie mit israelfeindlichen oder naiv pazifistischen und palästinenserfreundlichen Positionen und Aktionen betreiben. Von allen anderen aber, von denen in diesem Buch die Rede sein soll, von Publizisten und Wissenschaftlern, von Politikern und historisch (vermeintlich) gebildeten Erwachsenen darf erwartet werden, dass sie erkennen, wofür sie da in Worten und Taten stehen – einen neuen Antisemitismus der reinen Herzen.
    Mir ist klar, dass ich in diesem Buch, wie schon vor 25 Jahren im »Ewigen Antisemiten«, gewagte Behauptungen aufstelle. Die meisten sind belegbar, einige beruhen auf schlichter Logik. Ich bin kein Erbsenzähler. Ich weiß, dass man sich auf nichts mehr verlassen kann, nicht einmal auf die Dreidimensionalität des Raumes und die Richtigkeit der Relativitätstheorie. Und ich weiß, dass alles, was passieren kann, eines Tages auch passieren wird. Vom Untergang der Titanic bis zum Absturz der Concorde, von der Landung auf dem Mond bis zur Entdeckung außerterrestrischen Lebens, von Auschwitz bis Fukushima.
    Und falls jemand wissen möchte, was ich mit diesem Buch bewirken will: Eigentlich gar nichts. Aber es wäre mir sehr recht, wenn ich diesmal Unrecht hätte. Und falls doch nicht, sage keiner, er habe es nicht gewusst.

Abbildung 2
    Israel droht mit Selbstverteidigung
    Unter anderen Bedingungen hätte aus mir was werden können. Im Sommer 1946, fünfzehn Monate nach Kriegsende geboren, hatte mich das Schicksal einem Vater und einer Mutter zugeteilt, die sich gegenseitig das Überleben übel nahmen. Wäre ich gefragt worden, ob ich unter diesen Voraussetzungen auf die Welt kommen wollte, hätte ich sicher mit einem klaren »Nein!« geantwortet. Ich hatte eine ziemlich miese Kindheit im polnischen Kattowitz. Die Jugend im rheinischen Köln war auch nicht viel besser. Wurzeln schlagen, irgendwo heimisch werden, das kam nicht in Frage. Wir waren auf der Durchreise. Leider hatten meine Eltern vergessen, wohin sie eigentlich wollten. In die Schweiz? Nach Amerika? Oder doch nur zur Kur nach Bad Kissingen?
    Es gab immer genug zu essen, auch über einen Mangel an Emotionen konnte ich mich nicht beklagen. Dass sich meine Eltern nicht gegenseitig umbrachten, lag vor allem daran, dass ich im entscheidenden Augenblick dazwischenging und sie entwaffnete. So lernte ich sehr früh, was »Streitkultur« bedeutet.
    Mit 18 machte ich den Führerschein, mit 20 das Abitur, dazwischen verlor ich die Unschuld an Christiane, eine Trotzkistin aus gutem Hause, die sich sehr viel Mühe machte, mir den Unterschied zwischen der Dritten und der Vierten Internationale zu erklären. Sie brachte mir auch alles Wissenswerte über die »Diktatur des Proletariats« bei, die reaktionäre Kleinbürger wie mich, die sich weigerten, morgens um fünf Flugblätter an Fordarbeiter zu verteilen, sofort an die Wand stellen oder in ein Erziehungslager einweisen würde. Sie versprach, sich dafür einzusetzen, dass man mich im Erziehungslager anständig behandelt, allerdings konnte sie mir weder ein Einzelzimmer garantieren noch zusichern, dass man mir erlauben würde, abends nach getaner Zwangsarbeit einen anderen Sender als Radio Tirana zu hören. Später erfuhr ich, dass sie heimlich Klavierstunden bei einem Privatlehrer nahm.
    Ich war, natürlich, links, nahm an Demonstrationen gegen den Vietnamkrieg, Springer und die Erhöhung der Fahrpreise bei den Kölner Verkehrsbetrieben teil. Ich bedauerte, den Kriegsdienst nicht verweigern zu können, weil ich, als Kind von Überlebenden, gar nicht dazu eingeladen wurde, ihn zu leisten. Gleich nach dem Abitur wollte ich Jurist werden, Strafverteidiger, der Unschuldige aus den

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