Vergiftet
plötzlich tot umkippt. Und sollte die Polizei ihn aufspüren, wird Brenden sich wohlweislich hüten, den Mund aufzumachen. Er weiß, dass seine Familie für jeden Mucks, den er durchsickern lässt, bezahlen muss.
Das Beste, denkt Mjønes, wird es sein zu warten, bis Brenden vor Sehnsucht nach seiner Familie und seinem Alltag mürbe ist. Er ist es nicht gewohnt, über längere Zeit unterzutauchen. Früher oder später wird er aus seinem Versteck kommen oder von irgendjemandem erkannt werden. Das Geld, das er abgehoben hat, hat nur eine begrenzte Halbwertszeit, wie sparsam er auch leben mag. Und wenn die Medien erst einmal eine Vermisstenanzeige veröffentlichen und die Polizei mit ihren Ermittlungen beginnt, wird er vermutlich recht schnell gefunden werden.
Drei Tage sind nicht viel, denkt Mjønes. Außerdem hat Brenden mit seinem Kleidertausch und dem im Zug nach Eidsvoll platzierten Handy Tatkraft bewiesen. Er ist nicht auf den Kopf gefallen. Und genau deshalb muss er sterben. Vorzugsweise innerhalb der nächsten drei Tage.
Mjønes zündet die halb gerauchte Zigarette wieder an, nimmt ein paar Züge und drückt sie am Rand des Abfalleimers aus. Dann steuert er den Taxistand an und wählt einen weißen Toyota Prius. Zeit, Gas zu geben, denkt er.
58
Die Schnittwunde unter der Fußsohle hat die ganze Strecke von Grünerløkka nach Grønland gepocht, und Henning hat beim Gehen ständig zwischen Ballen und Ferse gewechselt, um den Fuß nicht mehr als unbedingt nötig zu belasten. Mit mittelmäßigem Erfolg.
In der Redaktion angekommen, hängt er seine Jacke über einen Kleiderständer neben der im Viereck angeordneten Tischgruppe der Inlandsabteilung. Mit einem raschen Blick durch den Raum konstatiert er, dass Heidi Kjus und Kåre Hjeltland noch nicht da sind. Aber Iver Gundersen ist an seinem Platz. Henning nickt ihm zu. Er sieht wach und zufrieden aus. Hat wohl eine gute Nacht gehabt, denkt Henning. Oder einen guten Morgen.
»Ich dachte, du wolltest Überstunden abfeiern?«, fragt Iver überrascht.
»Schon, aber ich … ich hab Lust, was beizutragen.«
Iver sieht Henning an. »Wie schön.«
Henning setzt sich. Stimmen aus einem Fernseher in der Nähe schallen durch den Raum, begleitet von dem energischen Hacken auf eine Tastatur. Er schaltet den PC ein und lehnt sich zurück.
Iver trinkt einen Schluck Kaffee und stellt den Becher so temperamentvoll ab, dass die Flüssigkeit fast über den Rand schwappt. »Ich würde dir gern was zeigen«, sagt er.
»Hm?«
Iver sieht sich um, um sicherzugehen, dass niemand hört, was er sagt. »In einem der Konferenzräume. Hast du einen Moment Zeit?«
»Zeit?«
»Gleich ist da ein Meeting, aber einen schnellen Durchlauf schaffen wir noch, hoffe ich.«
Henning zieht die Schultern hoch. Er würde lieber Bjarne Brogeland anrufen, um zu erfahren, ob Thorleif Brenden im Laufe der Nacht aufgetaucht ist, aber das kann auch warten.
»Warum nicht«, antwortet er also.
»Gut. Dann komm!«
Iver nimmt eine DVD , steht auf und läuft rasch an dem Kaffeeautomaten vorbei, vor dem sich eine kurze Schlange morgenmüder Journalisten gebildet hat. Henning gibt sich Mühe, trotz seines verletzten Fußes so natürlich wie möglich zu gehen, um Fragen zu vermeiden, auf die er keine Lust hat.
Sie gehen in einen der Konferenzräume, in dem vier Stühle um einen Tisch gruppiert sind. An der Wand steht ein PC . Iver schließt die Tür hinter sich, geht an den Computer und ruckelt an der Maus, worauf der Bildschirm sich einschaltet. Er gibt Benutzernamen und Passwort ein und drückt auf die Enter- Taste.
»Setz dich bitte«, sagt Iver. »Stehende Leute machen mich nervös.«
Henning macht, worum er gebeten wird. »Und was willst du mir zeigen?«, fragt er.
»Moment.«
Iver füttert den PC mit einer DVD und klickt ein Icon auf der rechten Bildschirmseite doppelt an. Seine Finger trommeln ungeduldig auf die Tischplatte, während er darauf wartet, dass die Datei sich öffnet. Gleich darauf sieht man eine erleuchtete Türöffnung auf dem Bildschirm. Darin ein bekanntes Gesicht. Dann fällt der Groschen, er weiß, was er da sieht.
»Wie bist du da drangekommen?«
»Das muss ich für mich behalten.« Iver grinst, ohne den Blick von Guri Palme zu nehmen.
Widerstrebend muss Henning eingestehen, dass er beeindruckt ist. »Was für eine Version ist das?«, fragt er.
Ivers zufriedenes Siegergrinsen ist wie in sein Gesicht gemeißelt. »Was meinst du?«
»Hat TV 2 das schon
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