Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
die Möglichkeiten. Mindestens neunzig Prozent ihrer Freundinnen und des weiblichen Personals von Country House waren blond. Anfangs hatte ich in meiner Naivität geglaubt, der Grund für das überdurchschnittlich häufig auftretende Blond wäre ein besonderes Upper-Class-Gen, das gleichzeitig dafür verantwortlich war, dass sie unfähig waren, leise zu sprechen, und dazu neigten, einem grundlos den Hemdkragen hochzuschlagen. Wie ich erst später herausfand, verdankten sie ihre Haarfarbe mit wenigen Ausnahmen nicht der Natur, sondern teuren Friseuren.
»Ja, ich glaube«, sagte ich vage und hoffte, dass Ticky zur Sache kam.
»Nun, Hen hat sich gerade verlobt. Heiratsantrag auf dem Eiffelturm, Diamant mit Baguetteschliff, so groß, dass sie kaum die Hand heben kann, Bekanntmachung im Telegraph , also das ganze Drum und Dran.«
»Wie schön für sie«, murmelte ich und konnte eine bittere Grimasse nicht unterdrücken. Es war verdammt taktlos, einem Mädchen, das gerade den Laufpass bekommen hatte, von Verlobungen zu erzählen …
»Worauf ich hinauswill, Roars – vor einem Jahr beschloss sie auszugehen und möglichst viele Männer zu treffen. Als sie Hecks kennenlernte, hatte sie dreiundvierzig Dates hinter sich. Dreiundvierzig! «
»Hecks?«
»Hector Armstrong-Calthorpe? Nummer elf auf Tatlers Liste der am häufigsten eingeladenen Gäste?« Dass ich den Namen nicht sofort erkannte, schien Ticky zu verwirren. Wie das gesamte Country-House -Personal glaubte sie, jeder müsste mit dem ganzen gesellschaftlichen Getue vertraut sein. »Nicht so wichtig, Roars … Worauf es ankommt – bevor das mit Hecks passierte, liefen ihr sehr viele unpassende Männer über den Weg.«
»Unpassende Männer?«, echote ich.
»Ja. Die muss man zur Übung benutzen, verstehst du? Gewöhn dich an die Dating-Szene, indem du mit Männern ausgehst, die dich nicht interessieren, und trenn die Spreu vom Weizen. Dabei lernst du, was du in Zukunft vermeiden musst. Und dann bist du total chilled und relaxed, wenn du einen interessanten Mann triffst.«
»Hm …«, murmelte ich zögernd.
»So war’s bei mir mit dem alten Scheißkerl Farquharson. Total unpassend. Aber nun weiß ich, was ich nicht will – einen Mann, der mich im Bett ›Nanny‹ nennt.«
»Das hat er getan!?«
»O jaaa. Als es eines Nachts ganz schrecklich eskalierte, musste ich ihn loswerden.« Ticky erschauerte.
»Inwiefern eskalierte ?«
»Darüber möchte ich nicht reden.« Sie senkte den Blick, als wäre die Erinnerung zu schmerzlich. »Sagen wir einfach – vorher wusste ich nicht, dass man Windeln auch in Größen für Erwachsene herstellt. Jetzt erkenne ich die Anzeichen.«
»Und was sind die Anzeichen?«, fragte ich fasziniert.
»Bitte – ich kann nicht.« Um weitere Fragen abzuwehren, hob sie eine Hand. Anscheinend war ihr Bedürfnis nach emotionalen Vertraulichkeiten ziemlich einseitig. »Zum Glück gibt es nur einen einzigen Farquharson, aber viele andere Scheißkerle. Früher oder später wirst du solche Typen treffen. Die musst du aus dem Weg räumen und für den Richtigen Platz machen. Ein paar unpassende Männer musst du vor deiner Begegnung mit Martin doch gekannt haben?«
»Nein.« Verlegen starrte ich auf meinen Schreibtisch. Ich war keiner dieser Teenager gewesen, die einen Keuschheitsgürtel getragen und gelobt hatten, bis zur Ehe rein zu bleiben. Aber meine Liebe zu mittelalterlichen Schlössern und meine enzyklopädischen Kenntnisse über William Morris’ Jugendstil-Stoffmuster wirkten wohl nicht gerade unwiderstehlich auf die Jungs. Deshalb hatte mich Martins Aufmerksamkeit in der Universitätsbibliothek verblüfft und mir geschmeichelt.
»Tut mir leid.« Ticky rollte mit den Augen. »Dumm von mir. Ich hatte vergessen, dass er dein erster Freund war. Ein Grund mehr für dich, mit unpassenden Männern auszugehen. Zwischen zwanzig und fünfundzwanzig lassen sich die meisten mit bösen Jungs ein. Sobald sie auf die dreißig zugehen, entscheiden sie sich für einen netten, vernünftigen Typen. Und du, Roars, hast dein ganzes Erwachsenenleben mit einem vernünftigen Mann verbracht. Ehrlich gesagt, mit einem Langweiler. Deshalb musst du jetzt ein paar böse Jungs ausprobieren und für dich abhaken.«
»Kannst du ›böse Jungs‹ definieren?«, bat ich beklommen.
»Bist du zum Beispiel jemals mit einem Künstler ausgegangen, der in selbstquälerischer Verzweiflung versank?«
»Nein.«
»Mit einem Bandmitglied?«
»Nein.«
»Mit einem
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