Vergiss das mit dem Prinzen: Roman (German Edition)
schon um fünf Uhr die klappernden Wasserrohre, die sich für Percy Grangers Dusche erhitzten. Dieser frühe Weckruf teilte mir mit, dass ich erst in zwei Stunden aus den Federn kriechen musste. Trotzdem konnte ich nur selten wieder einschlafen. Statt mich unter der warmen Daunendecke noch einmal umzudrehen und mich dabei angenehm faul und dekadent zu fühlen, war ich neuerdings in einem Kokon zwanghafter Gedanken an Martin gefangen, sobald ich wach war. Wenn ich daran dachte, wie niederträchtig er mich betrogen und verletzt hatte, geriet ich in wilden Zorn. Immer wieder beschwor meine Fantasie einzelne Szenen herauf, bis mir die Grausamkeit meines eigenen Kopfkinos Tränen in die Augen trieb. Ich malte mir mehrmals aus, wie er mit seiner neuen Freundin im Badezimmer Sexspielchen trieb. Am Ende dieser Szene stellte ich mir genüsslich vor, sie würden auf einem dicken Klecks des rosa Duschgels ausrutschen und sich alle Knochen brechen. Doch das half mir auch nicht, die schreckliche Realität zu akzeptieren. Deshalb rissen mich die lärmenden Wasserrohre allmorgendlich aus Träumen, in denen ich noch mit Martin zusammen war.
An diesem Morgen weckte mich um kurz nach fünf zur Abwechslung ein unheimlicher Schrei, der direkt aus den Mauern des Hauses zu dringen schien – gefolgt von Gebrüll und dem Krach von mindestens zwei zugeknallten Türen. Meine Gedanken an Martins Fiesheit und Untreue wurden von einer lebhaften Diskussion auf dem Treppenabsatz unterhalb meiner Dachkammer gestört. Ärgerlicherweise hörte ich nur Stimmen, verstand aber nicht, was sie sagten. Weil ich es sinnlos fand, noch länger im Bett zu bleiben, streifte ich einen formlosen Pullover über meinen Pyjama und rannte die halbe Treppe hinunter.
Ich beugte mich über das Geländer und sah Tante Lyd in einem marokkanischen Kaftan an ihrer Schlafzimmertür lehnen, die Arme vor der Brust gekreuzt, das Haar auf dem Kopf hochgetürmt. Percy schrie sie an, ebenfalls in einem Morgenmantel, das Gesicht und die großzügig entblößte Brust feuerrot. Noch nie hatte ich sein Haar dermaßen zu Berge stehen sehen. Normalerweise trug er es platt mit Pomade an den Kopf geklebt. Normalerweise war es auch nicht so weiß. Als ich näherkam, bemerkte ich meinen Irrtum. Was ich für Haare gehalten hatte, war ein dichter Pelz aus Shampoo-Schaum.
»… ein absichtlicher Anschlag auf mein Leben!«, schimpfte er gerade.
Sogar nach drei Wochen in Tante Lyds Haus sah ich in ihm immer noch seine berühmteste Rolle – Peter Bennett, den Pechvogel in der TV -Sitcom Hoppla, weg mit den Nachbarn!, die in den siebziger Jahren gelaufen war. Obwohl Percy nur in drei BBC -Serien mitgewirkt hatte, war er ein ständiger Begleiter meiner Kindheit gewesen. Und jetzt verging nur selten ein Tag, in dem er nicht in irgendeiner Wiederholung im Nachmittagsprogramm zu sehen war. Heutzutage spielte er nur noch Theater – ein Wort, in dem er jeden Vokal ganz besonders betonte, »Th EEEAAA ter«. Sicher hätte er sich auch eine Wohnung leisten können, aber die Unterkunft in Tante Lyds Pension bereitete ihm sein größtes Vergnügen: Er liebte es, in seinem bestickten Morgenmantel am Frühstückstisch zu sitzen und den jungen Schauspielern, die zwischen Vorsprechen und Proben die Dachkammern bevölkerten, Ratschläge zu erteilen. Die jungen Schauspieler fühlten sich durch seinen Beistand geehrt, und so waren alle glücklich gewesen. Dass die Theaterjugend nun nicht mehr im Dachgeschoss wohnte, versetzte Percy anscheinend in einen Zustand konstanter Wut.
»Wer macht denn so etwas?« Erbost erhob er die Stimme, als müsste er sich von der anderen Seite des Elgin Square Gehör verschaffen. »Ich hätte einen Herzinfarkt erleiden können. ›O wie der Krampf mir auf zum Herzen schwillt!‹«
»Shakespeare?«, fragte Tante Lyd. Percy flocht so viele Zitate in seine Gespräche ein, dass niemand mehr Kommentare dazu abgab. Jetzt tat es meine Tante vermutlich nur, um ihn abzulenken.
»Lear«, erklärte er und zog den Morgenmantel enger um seinen Körper. »Ein gepeinigter Mann, Lydia. Wie ich .«
»Akzeptieren wir doch, dass es einfach nur ein zufälliger kalter Wasserschwall war, Percy.« Seufzend rieb sie sich die Augen. »Niemand wollte Sie umbringen. Dass wir Probleme mit dem Boiler haben, wissen Sie doch.«
»Und noch etwas weiß ich«, schnaubte er. »Seit Jahren ist diese Avery ganz scharf auf mein Zimmer. Vor nichts würde sie zurückschrecken, um es zu ergattern. Eine primitive,
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