Vergiss die Toten nicht
Sie wusste, dass ihrem Großvater in der vergangenen Woche Gerüchte zu Ohren gekommen waren, Gorman wolle nicht mehr für eine zweite Amtsperiode kandidieren. Offenbar hatten sich diese inzwischen bestätigt.
»Nell, es gibt da einen Menschen – und meiner Ansicht nach nur einen einzigen –, der ihn ersetzen und dafür sorgen könnte, dass unsere Partei diesen Sitz behält.« MacDermott runzelte die Stirn. »Du hättest es schon vor zwei Jahren tun sollen, als ich mich aus der Politik zurückzog, das weißt du ganz genau.« Er hielt inne. »Es liegt dir doch im Blut. Anfangs warst du ja auch Feuer und Flamme, aber Adam hat es dir ausgeredet. Das darf nicht wieder vorkommen.«
»Mac, bitte hack nicht ständig auf Adam herum.«
»Ich hacke auf niemandem herum, Nell, ich sage dir nur, dass ich dich kenne. Du bist die geborene Politikerin. Seit deiner Jugend habe ich dich als meine Nachfolgerin herangezogen.
Zugegeben, ich war über deine Ehe mit Adam Cauliff alles andere als erfreut. Doch vergiss nicht, dass ich ihm den Start in New York erst ermöglicht habe, indem ich ihn an Walters und Arsdale weiterempfahl, ausgezeichnete Architekten und außerdem meine besten Parteifreunde.«
Mac presste die Lippen zusammen. »Ich stand ganz schön dumm da, als Adam nach weniger als drei Jahren den Bettel hingeworfen, ihnen ihre Chefsekretärin abgeworben und sein eigenes Büro eröffnet hat. Meinetwegen, in der Geschäftswelt mag so etwas üblich sein. Allerdings kannte Adam meine Pläne für dich und deine Karriereabsichten von Anfang an. Warum hat er seine Meinung geändert? Du solltest für meinen Sitz kandidieren, als ich in den Ruhestand ging, und das wusste er.
Schon damals hatte er kein Recht, es dir madig zu machen, und dasselbe gilt auch heute noch.«
»Mac, ich bin gerne Journalistin. Auch wenn es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, bekomme ich ziemlich großes Feedback.«
»Ich gebe zu, dass du verdammt gute politische Kolumnen schreibst. Aber du weißt selbst, dass der Job nicht genug für dich ist.«
»Hör zu, mein Zögern hat nicht nur damit zu tun, dass Adam mich gebeten hat, auf eine Kandidatur zu verzichten.«
»Nein? Womit dann?«
»Wir beide wünschen uns Kinder, das weißt du doch. Deshalb hat er mir vorgeschlagen, mit einer politischen Karriere noch zu warten. In zehn Jahren bin ich erst zweiundvierzig. Das ist doch ein gutes Alter, um in die Politik einzusteigen.«
Verärgert stand ihr Großvater auf. »Nell, in zehn Jahren ist der Zug für dich abgefahren. Die Welt verändert sich zu schnell, als dass man sich so viel Zeit lassen könnte. Gib es zu, du brennst doch geradezu darauf, deinen Hut in den Ring zu werfen.
Erinnerst du dich noch, was du zu mir gesagt hast, als du meintest, du würdest mich von nun an Mac nennen?«
Nel beugte sich vor, verschränkte die Hände ineinander und stützte das Kinn darauf. Sie wusste es noch ganz genau. Damals war sie im ersten Semester in Georgetown gewesen, und sie hatte sich gegen seinen anfänglichen Widerstand durchgesetzt.
»Du hast mich immer als deine beste Freundin bezeichnet, und alle deine Freunde nennen dich Mac«, hatte sie verkündet.
»Wenn ich dich weiter mit Opa anspreche, bleibe ich für immer ein Kind. Aber in der Öffentlichkeit möchte ich deine Assistentin sein.«
»Was soll das heißen?«, hatte er erwidert.
Nel erinnerte sich, wie sie das Wörterbuch hochgehalten hatte.
»Hör dir die Definition an. Ein Assistent ist ein untergeordneter, vertrauter Helfer. Und das bin ich doch zurzeit für dich.«
»Zurzeit?«
»Bis du in den Ruhestand gehst und ich für deinen Sitz kandidiere.«
»Erinnerst du dich, Nel ?«, riss Cornelius MacDermotts Stimme sie aus ihren Gedanken. »Damals warst du eine aufmüpfige Studentin, aber du hast es ernst gemeint.«
»Ich weiß«, entgegnete sie.
Er baute sich vor ihr auf, beugte sich vor und hielt sein Gesicht ganz nah an ihres. »Nutze die Gelegenheit, Nell. Sonst wirst du es einmal bereuen. Wenn Gorman bestätigt, dass er nicht kandidiert, werden sich alle um die Nominierung reißen. Ich will, dass der Parteivorstand dich von Anfang an ganz oben auf die Liste setzt.«
»Und wann soll es losgehen?«, fragte sie zögernd.
»Beim Jahresempfang am dreißigsten. Du und Adam seid eingeladen. Gorman wird ankündigen, dass er sich nach dem Ende seiner Amtszeit zurückzieht. Er wird ein paar Tränen vergießen und schluchzen, wie schwer ihm die Entscheidung gefallen sei. Doch eines habe ihm
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