Vergraben
Bargeld auf die Straße. Nathan trieb sich dann herum und wartete darauf, ein glückliches Mitglied von Derbys Crew zu treffen, wie Mark seine Zuhörer nannte.
Nathan fand bald heraus, wie er das Geld schnell und sicher verteilen konnte. Meist gab er es bündelweise an die Taxifahrer weiter, die an der rund um die Uhr geöffneten Tankstelle um die Ecke tankten – sie lag nicht sehr weit von der Polizei entfernt.
Viele der Taxifahrer hörten regelmäßig Mark Derbyshires Lösung – obwohl viele von ihnen Einwanderer und somit auch Teil von Mark Derbyshires Problem waren.
Nathan war siebenundzwanzig und am bitteren Ende seiner Beziehung mit einer Frau namens Sara angelangt, von der er einst, vor nicht allzu langer Zeit, geglaubt hatte, dass er sie liebte. Nun nervte und frustrierte ihn schon ihr bloßer Anblick.
Sara mochte Nathan auch nicht besonders – vermutlich war es also ein Glück, dass sie sich kaum über den Weg liefen. Mark Derbyshires Lösung wurde ab Mitternacht ausgestrahlt, was bedeutete, dass Nathan kurz nach neun Uhr zur Arbeit ging. Sara arbeitete in einem Büro und kam nicht vor halb acht nach Hause. So blieben ihnen etwa neunzig Minuten, die sie gemeinsam durchstehen mussten.
Nathan war ziemlich sicher, dass Sara eine Affäre mit ihrem Chef hatte, der Alex hieß und wie jener gewisse Typ Mann aussah.
Es gab Indizien. Sie hatte sich angewöhnt zu duschen, wenn sie nach Hause kam und auch bevor sie zur Arbeit ging. Sie zog nicht mehr ihre etwas spießige, praktische Unterwäsche fürs Büro und ihre Dessous am Wochenende an, sondern dieses Verhaltensmuster hatte sich plötzlich (und komplett) umgekehrt.
Nathan sah in ihrem Gesicht manchmal den Betrug aufblitzen: der abgewandte Blick, das heimliche Lächeln über eine vertrauliche Anspielung.
»Geht’s dir gut?«, fragte er dann.
Und sie antwortete: »Ja« – und lächelte jenes verträumte, wissende Lächeln.
Nathan tat sie leid.
Nun hatte er beschlossen, dass es an der Zeit war, mit Sara Schluss zu machen; einer von ihnen beiden musste es tun. Deshalb hatte er in jenem Jahr die Einladung zu Mark Derbyshires Weihnachtsparty angenommen. Sie sollte eine Art Abschiedsgeschenk sein und eine Art unausgesprochene Entschuldigung.
Sara hörte Mark Derbyshires Lösung nicht – sie wurde zu spät gesendet –, aber es hatte sie immer beeindruckt, dass Nathan für Mark Derbyshire arbeitete, der einmal berühmt gewesen war. Und sie wollte immer zu seinen Partys gehen. Aber Nathan hatte jedes Jahr einen Vorwand gefunden, um abzusagen.
Die Weihnachtsparty war in Marks Vertrag festgeschrieben worden, als er noch wichtig war, was allerdings schon sehr lange zurücklag. Aber der Radiosender bezahlte immer noch die Getränke, die Häppchen und einen erbärmlichen Dorfhochzeits-DJ, der Boney M. Platten auflegte. Die meisten Mitglieder der Chefetage und auch einige DJs und Nachrichtensprecher des Senders fühlten sich verpflichtet hinzugehen. Viele jüngere Mitarbeiter freuten sich wirklich darauf, ebenso wie, angeblich, die Anwohner aus der Gegend um Marks Haus.
Bevor Nathan am Mittwochabend zur Arbeit ging, sagte er also zu Sara: »Es ist so weit. Wir sind wieder eingeladen.«
»Zu Marks Party?«
»Ja.«
Sie erstarrte wie ein Rehkitz im Wald.
Nathan zog die karierte Jacke an, die er im Winter bei der Arbeit trug. »Wir gehen besser nicht hin. Da werden bestimmt viele Drogen genommen.«
Normalerweise war Sara gegen Drogen. Aber nun nahm ihr Gesicht einen verzweifelten Ausdruck an. Das hier war Mark Derbyshires Weihnachtsparty, und ob es dort Drogen gab oder nicht, interessierte sie nicht im Geringsten.
Sie wurde ernst: »Aber ich würde wirklich gerne hingehen.«
Das sagte sie jedes Jahr. Und jedes Jahr antwortete Nathan: »Vielleicht nächstes Mal.«
Nun schaute sie ihn mit einem Hundeblick an, halb im Spaß, halb im Ernst, strich mit der Oberseite ihrer Fingernägel über seinen Oberarm und säuselte »Bittebittebitte?«
Und Nathan antwortete: »Na gut. Warum nicht?«
Sie kreischte vor Freude und drückte ihm dicke Schmatzer auf Wange und Stirn.
Bis vor wenigen Monaten hätten sie das wahrscheinlich sofort mit einem Quickie gefeiert. Aber Nathan und Sara hatten keinen Sex mehr. Keiner von ihnen sprach das Thema an, es machte sie zu traurig, zu unsicher und zu verlegen.
Jetzt war Sara so aufgeregt – sie jauchzte und sprang herum wie ein Kind –, dass sie zur Toilette rennen musste.
Zuerst gefiel ihm das, denn in seiner Gesellschaft
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