Verheißung des Glücks
sich einen Ehemann zu angeln.«
»Ach papperlapapp! Was gibt es denn da zu grübeln? Du bist schließlich kein Neuling auf dem gesellschaftlichen Parkett. Außerdem hast du selbst zugegeben, es sei längst überfällig, dass auch du endlich auf Brautschau gehst. Bis jetzt hast du ja noch nicht einmal ein Auge auf eine bestimmte Dame geworfen. Dabei könntest du in deinem Alter längst eine eigene Familie haben. Du bist einfach zu wählerisch. Bei einem jungen Mann mag das noch angehen. Aber Edith kann sich das nicht leisten. Im Grunde habt ihr also dasselbe Ziel. Drum ist es ja eben eine großartige Idee, dass du sie zu den Festen und Bällen in London begleitest. Du hast es dir doch nicht etwa anders überlegt?«
»Nein, aber ...«
»Schön, dann kommen wir jetzt zu meiner eigentlichen Frage zurück«, beharrte Henriette.
»Ich dachte, die hätte ich gerade beantwortet. Die Antwort mag dir nicht gefallen, aber es gibt keinen Grund zur Sorge.«
»Unsinn!«, widersprach sie ihm aufs Neue. »Nur weil ich dir nicht ständig in deine Entscheidungen hineinrede, heißt das noch lange nicht, dass ich ungerührt dabei zusehe, wenn du einen falschen Weg einschlägst. Im Gegenteil: Ich bin unsäglich betrübt darüber.«
»Unsäglich?« Lincoln hob eine Augenbraue und konnte dabei ein Grinsen nicht unterdrücken.
Henriette Burnett schnaubte verärgert. »Dein amüsiertes Getue blendet mich nicht. Du kannst dieses Thema nicht für alle Ewigkeiten vermeiden.«
Er seufzte. »Na schön. Was hat dich denn außer meiner offenbar so ungewöhnlichen Schweigsamkeit auf den erstaunlichen Gedanken gebracht, ich hätte für meine Mutter nicht viel übrig?«
»Vielleicht der Umstand, dass du sie in neunzehn Jahren nicht ein einziges Mal besucht hast?«
Die karge Schönheit der Landschaft, die am Fenster der Kutsche vorbeizog, wühlte Lincoln auf. Jahrelang hatten ihn diese Eindrücke in seinen Träumen verfolgt. Das schottische Hochland war tatsächlich genauso wild und atemberaubend schön wie die Bilder in seinen Erinnerungen. Die Gefühle, die ein einziger Blick aus dem Fenster nun in ihm auslöste, machten ihm deutlich, wie sehr er seine Heimat all die Jahre vermisst hatte. Doch selbst alles Heimweh nach dieser herben Landschaft hatte nicht ausgereicht, um ihn schon früher hierher zurück zu locken.
»Es war nicht notwendig, sie in Schottland zu besuchen. Sie kam ja manchmal nach England«, erklärte er.
»Ja, und du hattest keinerlei Skrupel, dich bei diesen Gelegenheiten meist von irgendwelchen ach so wichtigen Erledigungen von zu Hause fern halten zu lassen«, konterte Henriette.
»Widrige Umstände, unaufschiebbare Angelegenheiten«, beharrte Lincoln, doch ein Blick in das Gesicht seiner Tante sagte ihm, dass sie ihn längst durchschaut hatte. »Sie kam eben immer zur falschen Zeit«, sagte er lahm.
»Pah! Deine Ausflüchte waren nie besonders einfallsreich. Nichts als faule Ausreden. Großer Gott, ich glaube, das ist das erste Mal, dass ich sehe, wie du rot wirst, mein Junge. Mir scheint gar, ich habe mit meiner Vermutung ins Schwarze getroffen.«
Nun, da er sich ertappt fühlte, stieg Lincoln erst recht das Blut in den Kopf. Die Verlegenheit ließ seine Stimme ein wenig hölzern klingen. »Dieses Gespräch führt zu nichts, Tante Henry. Wir lassen es besser dabei bewenden, sonst wecken wir am Ende noch Edith auf.«
Es verletzte sie, dass er nicht bereit war, seine Gefühle mit ihr zu teilen. Einen kurzen Moment lang sah er es ihr an, doch dann verbarg sie ihre Betroffenheit hinter einem kurzen »Zzz!«, presste dann die Lippen auf einander und zuckte die Schultern. Henriette war nicht nachtragend; das hätte nicht zu ihrer großzügigen Art gepasst. Aber für gewöhnlich drang sie auch nicht so hartnäckig in ihn. Lincoln ahnte, dass sie das Thema in nicht allzu ferner Zukunft wieder aufs Tapet bringen würde.
Sein Onkel Richard wusste wohl um die Zusammenhänge, die zu Lincolns Verbannung aus Schottland geführt hatten. Doch von ihm erfuhr sein Neffe nie viel darüber. Richard Burnett stand seiner einzigen Schwester nicht besonders nahe und konnte daher auch nur erahnen, was sie letztendlich dazu bewegt hatte, ihm ihren Sohn anzuvertrauen. Richard Burnett gestattete sich in dieser Sache keine eigene Meinung; er stand irgendwo in der Mitte zwischen Mutter und Sohn. Lincoln sagte er nur, seine Mutter habe ihn eine Zeit lang alleine, ohne die lenkende Hand eines Vaters aufgezogen, bis eines Tages die Probleme
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