Verheißung des Glücks
vermeiden«, stellte Lachlan nun fest.
»Es muss sein.«
»Wo wir gerade davon sprechen, wie weit ist Meli eigentlich mit dem Packen?«
»Sie fährt erst in drei Tagen. Ihr bleibt also noch genügend Zeit. Im Augenblick ist sie unterwegs zu meinem Vater. Wahrscheinlich verbringt sie die Nacht in seinem Haus. Ich glaube, sie wollte auch noch einmal mit meinen Brüdern sprechen und sie wissen lassen, dass sie ihnen inzwischen verziehen hat. Ob du es glaubst oder nicht, aber einige dieser Rüpel haben ziemliche Schuldgefühle, weil ihre Nichte wegen ihnen keinerlei Aussichten hat, jemals einen Mann aus der näheren Umgebung zu heiraten. Zum Glück hat sich Meli für keinen der jungen Herren, die uns im vergangenen Jahr hier besuchten, wirklich interessiert. Also alles halb so schlimm. Im Übrigen wollte sie meinen Brüdern versichern, dass sie bestimmt selbst merken wird, wenn der Richtige vor ihr steht. Sie sollen sich deshalb keine Sorgen machen.«
»Und Meli glaubt tatsächlich, es hilft, wenn sie mit ihnen redet?«
»Nun ja, man soll die Hoffnung nie aufgeben.« Kimberly grinste. »Meine Brüder sind durchaus offen für ein vernünftiges Gespräch - jedenfalls gelegentlich.«
Lachlan schnaubte. Kimberly hatte die MacFearsons erst als erwachsene Frau kennen gelernt. Sie war in dem Glauben aufgewachsen, ein Einzelkind zu sein, und erfuhr erst von ihrer riesigen Familie, als Lachlan sie als seine Braut nach Schottland führte. Alsbald hatten ihre
Brüder vor seiner Tür gestanden, genauer gesagt, sie waren einfach über die Zugbrücke in den Hof marschiert — alle sechzehn auf einmal. Im Grunde waren sie nur der Spähtrupp für Kimberlys leiblichen Vater. Er galt im Hochland als legendäre Gestalt, wenn auch nicht von der erbaulichen Sorte.
Ian MacFearson. Mütter verboten ihren Kindern, diesen Namen in den Mund zu nehmen. Es hieß, er sei ein Schuft der übelsten Sorte, der lachend dabei zusah, wie seine eigenen Söhne versuchten, sich gegenseitig umzubringen. Ja, man sagte, er feure sie dabei sogar noch an. Manche hingegen behaupteten, er sei nur ein alter Einsiedler, der sein Haus schon seit vierzig Jahren nicht mehr verlassen hätte — wozu auch, wo er sich dort einen eigenen Harem hielt. Wieder andere waren sicher, er sei bereits vor Jahren gestorben und nur sein Geist spuke noch durch die Ruinen des alten Gemäuers, in das er sich schon vor langen Zeiten zurückgezogen hatte. All diese Geschichten waren natürlich frei erfunden. Schließlich war kaum ein Mensch Ian MacFearson je persönlich begegnet. Und die wenigen, die ihn einmal zu Gesicht bekamen, machten sich nie die Mühe, die Wahrheit über ihn herauszufinden.
Er lebte tatsächlich wie ein Einsiedler und verließ sein Heim nur gelegentlich, um Kimberly und ihre Familie auf Kregora Castle zu besuchen. Aber meistens musste sie zu ihm reiten, wenn sie ihn sehen wollte. Das machte ihr nichts aus. Ihr gefiel sein Haus, die düstere Atmosphäre, die es umgab, die kahlen Bäume und die dunklen Wolken, die für gewöhnlich über dem Anwesen hingen. Es erinnerte sie an das geheimnisvolle Schloss einer Hexe hoch auf einem wolkenverhangenen Berg. Dabei war die ehemalige Festung auf der felsigen Anhöhe längst zu einem Wohnhaus umgebaut worden. Von innen wirkte es alles andere als düster;
schließlich hauste dort die ganze ausgelassene Schar ihrer Brüder.
Ebenso wenig war an dem Lügenmärchen dran, dass diese kräftigen Burschen sich die Zeit damit vertrieben, sich gegenseitig umzubringen — selbst wenn manche ihrer Auseinandersetzungen einen anderen Eindruck erweckten. Sie stritten sich nicht mehr und nicht weniger als unter Brüdern üblich, aber niemals mit der Absicht zu töten. Im Gegenteil, sie hielten zusammen wie Pech und Schwefel. Beleidigte man einen, hatte man gleich die ganze Meute gegen sich.
Genauso gegenstandslos war die Geschichte mit dem Harem. Natürlich regte die Zahl der Söhne, die Ian gezeugt hatte, die Fantasie der Hochland-Bewohner an. Diese Söhne hatten zwar tatsächlich alle denselben Vater, aber nur wenige von ihnen hatten dieselbe Mutter. Außerdem waren sie alle Bastarde, denn Ian hatte nie geheiratet, wiewohl es sein sehnlichster Wunsch gewesen war. Kimberlys Mutter galt als seine große Liebe, doch ihre Eltern zwangen sie, den Earl von Amburough zu heiraten, den Kimberly lange für ihren leiblichen Vater hielt. An einem denkwürdigen Tag vor vielen Jahren lockerte jedoch der Alkohol die Zunge des Earls. Seither wusste
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