Verküsst & zugenäht!
Bord.
„Jenny? Herr im Himmel, geht es dir gut?“
Sie blieb stehen. Meine Güte, das wurde ja immer schlimmer. Ausgerechnet Jake.
Sofort brachen all die Gefühle, die sie wegen ihrer drängenderen Probleme unterdrückt hatte, mit aller Gewalt hervor. Sie wirbelte herum, um dorthin zurückzustürmen, wo sie hergekommen war. Das Letzte, was sie brauchen konnte, war, ausgerechnet von ihm gerettet zu werden. Da war sogar ein Schiffbruch besser, selbst falls sie die Nacht allein und frierend verbringen müsste.
Als ihre Vernunft wieder einsetzte, verlangsamte sie ihre Schritte. Was für ein Blödsinn. Ihr war kalt, sie war müde und hungrig und sie wollte verdammt noch mal von dieser Halbinsel weg. Und wenn das einzige Rückfahrtticket eben nur von Jake ausgestellt werden konnte, tja, dann sollte es so sein.
Sie nahm sich vor, kein Wort mehr als nötig mit ihm zu wechseln.
Als sie sich umdrehte, stellte sie fest, dass er sie bereits eingeholt hatte, und ihr Herz begann heftig zu klopfen.
Nur wenige Schritte, und er packte ihre Oberarme und starrte sie von Kopf bis Fuß an. Der verdammte, niederträchtige Mond kam genau in diesem Moment hinter den Wolken hervor.
Herr im Himmel, gab es denn überhaupt keine Gerechtigkeit auf der Welt? Sie gehörte schließlich nicht zu den Frauen, die heulen und dabei noch gut aussehen konnten. War es wirklich nötig, dass sich das Mondlicht ausgerechnet jetzt wie ein Scheinwerfer auf ihre fleckige Haut und ihre geschwollenen roten Augen richtete?
„Bist du in Ordnung?“, fragte er.
„Ja.“ Sie wollte seine Hände abschütteln, aber etwas in seinem Blick ließ sie starr werden.
„Mein Gott“, stieß er aus. „Seit Dan mir erzählt hat, dass du mit dem Boot rausgefahren und noch nicht zurückgekommen bist, habe ich mir alle möglichen Horrorszenarien vorgestellt. Was dir alles auf dem Wasser oder sonst wo passieren könnte. Es war die Hölle, Jenny!“ Er riss sie in die Arme. „Ich habe auf dem Weg hierher eine Entscheidung getroffen.“
Er begann mit herrlich warmen Händen ihren Kopf und ihren Rücken zu streicheln.
„Ich werde nach Razor Bay ziehen.“
Jennys Herz setzte einen Moment aus, nur um sofort darauf mit dreifacher Geschwindigkeit weiterzuschlagen, doch vielleicht sollte sie besser nicht zu viel Bedeutung in seine Worte legen. Sie trat einen riesengroßen Schritt zurück. „Ich dachte, es gefällt dir hier nicht.“
Er hob die Hände, als wollte er sie wieder berühren, ließ dann aber die Arme an den Seiten herabsinken. „Die Stadt ist mir irgendwie ans Herz gewachsen.“
„Das ist … gut“, sagte sie mit erstaunlicher Ruhe. „Du ahnst nicht, wie viel das Austin bedeuten wird.“ Für sie wäre es zwar eher eine Katastrophe, Jake in der Nähe zu wissen,während zugleich Welten zwischen ihnen lagen, doch damit musste sie eben zurechtkommen.
„Ich habe die Entscheidung nicht allein wegen Austin getroffen, Jenny.“ Er stopfte die Hände in die Taschen und kam einen Schritt näher. „Es war ernst gemeint, als ich sagte, dass die Fahrt hierher die Hölle war. Ich hatte Angst, du könntest ertrunken sein oder verletzt, entführt oder vergewaltigt worden sein.“ Er schüttelte sich, als ob er all diese Bilder in seinem Kopf erst loswerden müsste. „Und mir ist klar geworden, dass du recht hast. Ich war ein Idiot.“
Ihr Hals war so zugeschnürt, dass sie kaum noch atmen konnte. „Warst?“, fragte sie krächzig.
„Ja. Inzwischen bin ich um einiges klüger.“ Er trat einen Schritt näher an sie heran, nahm eine Hand aus der Tasche und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann zeichnete er mit dem Daumen ihre Unterlippe nach. „Interessant, was so ein bisschen Angst mit einem anstellen kann. Vorhin habe ich unglaublichen Blödsinn geredet. Du hattest recht. Zu hören, dass du mich liebst, hat mich zu Tode erschreckt. Weil ich … mein Gott, ich liebe dich auch, Jenny. Ich liebe dich wahrscheinlich schon eine ganze Weile, doch ich war so verdammt damit beschäftigt, mein Herz zu schützen für den Fall, dass du nichts für mich empfinden solltest.“ Er zog die Augenbrauen zusammen. „Oder für den Fall, dass du mich liebst und es dir dann wieder anders überlegst.“
Er betrachtete sie und schüttelte den Kopf, als könnte er die eigene Dummheit nicht glauben.
„Das alles lief in meinem Unterbewusstsein ab, verstehst du? Ich hab nichts mit Psychologie am Hut, aber diese Panikattacken, die ich immer bekam, wenn ich glücklich
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