Verlangen
du diesmal?«
»Dass du nach Hause gehst. Mike und ich machen den Laden zu.«
»Dagegen habe ich nichts einzuwenden.« Sie hätte vor Müdigkeit umfallen können, und obwohl die Praxis noch von der beruhigenden Kakophonie bellender Hunde, dem Surren von Mikes Pflegeinstrumenten und dem Schnattern der Vögel durchdrungen wurde, ließ der Betrieb inzwischen ein wenig nach. »Lass mich nur noch schnell diese Krankenblätter wegräumen, ehe ich …«
»Kommt überhaupt nicht in Frage. Wenn es einreißt, dass du meine Arbeit übernimmst, wozu brauchst du mich dann noch?« Stacey kam energisch auf sie zu, schnappte sich die Unterlagen von der Schreibtischplatte aus Mahagoni und ging damit in den Flur. »Dann bis Montag, Doc.«
Lyssa schüttelte lächelnd den Kopf, nahm ihre Handtasche und fischte den Schlüsselbund heraus, ehe sie ihre Praxis durch den rückwärtigen Ausgang verließ, der zum Mitarbeiterparkplatz führte. Ihr schwarzer BMW Roadster erwartete sie auf dem nahezu leeren Parkplatz. Es war ein wunderschöner Tag, sonnig und warm, und sie klappte das Verdeck auf, bevor sie nach Hause fuhr. Auf ihrer zwanzigminütigen Heimfahrt schlürfte sie den Rest des kalten Kaffees inihremBecherhalter und drehte das Radio laut auf, um sich wachzuhalten. Irgendwie musste sie ja verhindern, sich selbst oder jemand anderen auf der Schnellstraße umzubringen, weil sie kaum noch die Augen offen halten konnte.
Ihr schnittiger Wagen bahnte sich mühelos einen Weg durch den schwachen Verkehr in ihrer Kleinstadt im Süden Kaliforniens. Der Roadster war eine Anschaffung, die sie nie bereut hatte – ein Impulskauf, nachdem sie sich endlich eingestanden hatte, dass es ihr bestimmt war, jung zu sterben.
Im Lauf der letzten vier Jahre hatte sie viele ähnlich dras tische Veränderungen vorgenommen. Unter anderem war si e ins Temecula Valley umgezogen und hatte eine enorm erfolgreiche Tierarztpraxis in San Diego aufgegeben. Sie hatte geglaubt, ihre chronische Ermattung sei auf ihr stressiges Arbeitspensum und die unerhörten Lebenshaltungskosten z urückzuführen, und in den allerersten Jahren nach dem Umzug hatte sie sich viel besser gefühlt. In letzter Zeit schien es um ihre Gesundheit jedoch schlechter denn je bestellt zu sein.
Eine lange Reihe von Untersuchungen hatte eine Vielzahl von Erkrankungen wie Lupus und Multiple Sklerose ausgeschlossen. Fehlerhafte Diagnosen wie Fibromyalgie und Schlafapnoe hatten dazu geführt, dass sie nutzlose Medikamente eingenommen und schmerzhafte Masken getragen hatte, die jeden Schlaf verhinderten. Der letzte Befund hatte auf Narkolepsie gelautet, eine deprimierende Diagnose, die keinen Hinweis auf eine Heilung der Erschöpfungszustände gab, die ihr Leben bestimmten. Die langen Arbeitstage, die sie früher regelrecht genossen hatte, überschritten ihre Kräfte schon lange. Bereits vor Jahren hatte sie die Stunden reduzieren müssen, und allmählich hatte sie das Gefühl, den Verstand zu verlieren.
Das schmiedeeiserne Tor zu ihrer Eigentumswohnanlage schwang auf. Sie fuhr hinein und an dem abgegrenzten Bereich mit dem Gemeinschaftspool vorbei, den sie noch nie benutzt hatte. Schließlich richtete sie die Fernbedienung auf ihr Garagentor gleich um die Ecke.
In der Garage bremste sie abrupt, nachdem sie den Wagen zentimetergenau geparkt hatte, drückte wieder auf die Fernbedienung und stand bereits in ihrer Küche mit den Arbeitsflächen aus Granit, ehe sich das Garagentor vollständig gesenkt hatte. Lyssa warf ihre Handtasche auf den Frühstückstisch mit den Barhockern, zog die elfenbeinfarbene Seidenbluse und die blaue Hose aus und sank auf das Sofa mit Daunenfüllung.
Sie war schon eingeschlafen, bevor ihr Kopf auf das Kissen traf.
Aidan starrte das Portal an, das ihm den Zugang zu seinem neusten Auftrag versperrte, und blickte finster drein. Um eine solche Barriere zu errichten, musste die Psyche im Innern ernsthaft gestört sein. Metallisch und breit stand die Pforte allein in einem Meer aus Schwärze und ragte so hoch auf, dass er nicht sehen konnte, wo das verdammte Ding endete. Es war die stärkste Abschreckung, auf die er jemals gestoßen war. Kein Wunder, dass ein halbes Dutzend anderer Wächter daran gescheitert waren.
Er fluchte und fuhr sich mit den Händen durchs Haar, das an den Schläfen inzwischen ein wenig ergraute. Wächter alterten nicht. Sie waren unsterblich, es sei denn, ein Albtraum saugte das Leben aus ihnen heraus. Aber manches von dem abgefahrenen Mist, den er im
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