Verlieb Dich nie in einen Tierarzt
vor!«
»Also gut. Geben Sie mir das Steak.« Dann drehte er sich um und sah Jill, die außerordentlich hübsch aussah und ihn anlächelte. »Hallo! Ist es nicht lästig, für sich selbst das Essen einkaufen zu müssen?«
»Das sollte es nicht. Wenn Sie so hart arbeiten, dann müssen Sie sich auch richtig ernähren. Ich selbst kaufe übrigens heute nur Fleisch für Cuthbert.«
»Gräßlicher Name! Und von was lebt Cuthbert? Ich vermute von saftigem Rindfleisch.«
»Warum nicht?«
Er grinste auf sie herab. »Ich sehe direkt, wie Sie sich in eine zweite Evelyn Garland verwandeln und Ihr ganzes Dasein den Tieren widmen... Hier ist mein Steak. Danke, Mick. Ich wünschte, Sie würden es mir zubereiten... Auf Wiedersehen, Miss Henderson.«
Jetzt oder nie, sagte sie sich entschlossen. »Hören Sie, seit einigen Wochen haben Sie einige Bücher ausgeliehen. Was halten Sie davon, sie zurückzugeben?«
»Mein Gott, das tut mir leid, vergessen Sie alles über diese traurige Angelegenheit. Ich werde sie demnächst, wenn ich vorbeikomme, zurückgeben. Verzeihen Sie...«, stammelte er, verlor seine gewöhnliche Ruhe und machte sich schleunigst aus dem Staub.
Der väterlich wirkende Metzger lächelte, wog Cuthberts Fleisch aus und legte noch einen oder zwei Knochen dazu.
»Ist ein guter Kerl, unser Tierarzt. Aber er hat zuviel auf dem Hals. Er bräuchte einen Partner.«
»Warum sucht er sich keinen?«
»Hat er oft genug versucht, aber Tierärzte sind hier selten. Und sie mögen diese gottverlassenen ländlichen Gegenden nicht, wo sie über schlammige Pfade stapfen und auf miserablen Landwegen fahren müssen. Tut mir leid um den Jungen. Wenn er todmüde nach Haus kommt, kann er sich nicht auch noch um sein Essen kümmern.«
»Hat er denn keine Haushälterin?«
»Auch das hat er versucht. Aber das einzige, was er finden konnte, ist eine Zugehfrau, die täglich einige Stunden am Vormittag zum Putzen kommt und ihm sein Essen vorbereitet. Ein kaltes Essen — weil er niemals weiß, wann er nach Hause kommt. Der bräuchte einmal ein gutes, nahrhaftes Roastbeef.«
»Was meinte er, als er sagte, ich sei eine andere Evelyn Garland? Wer ist das?«
»Sind Sie ihr noch nicht begegnet? Sie ist nämlich eine begeisterte Leserin. Eine feine Dame. Sie muß bis vor zwei Jahren Lehrerin an einer höheren Schule gewesen sein, bis sie sich in das Haus zurückgezogen hat, das ihr eine Tante vererbt hatte. Es liegt oben auf dem Hügel inmitten von Pferdekoppeln. Ein gutes Stück Weg dort hinaus. Aber sie ist sehr oft in der Siedlung.«
»Aber warum sollte ich wie sie sein?« Jill fühlte sich nicht sehr geschmeichelt, mit einer älteren, im Ruhestand lebenden Lehrerin verglichen zu werden, selbst wenn sie eine >feine Dame< war.
»Weil sie etwas verrückt auf Tiere ist. Die hält sie dutzendweise; gleichgültig ob Hunde oder Katzen. Wenn ein Tier ausgesetzt oder zu ihr gebracht wird, so kann sie niemals nein sagen und nimmt es in ihren Zoo auf.«
»Du meine Güte, sie muß mildtätiger sein als ich. Ich habe gewiß nicht vor, hier ein Katzen- oder Hundeheim zu gründen«, und sie machte sich auf den Weg, noch immer irritiert von dem Gedanken, daß Webster sie mit dieser exzentrischen Lady verglichen hatte. Die Wahrheit war, daß sie bei den jungen Leuten aus der Nachbarschaft bemerkenswert gut ankam und ihr Matthews gelegentliche Gunstbeweise eher lästig waren.
Sie ging nach Hause und dachte über Matthew Websters schweres Leben nach. Ein wahrer Jammer, daß er nicht heiratete. Das Mädchen in seinem Büro mußte ihn ziemlich gut kennen. Sie sah anziehend aus, auch wenn sie sich wenig für ihre Arbeit interessierte. Schöne Beine hatte sie obendrein — doch, so ging es Jill durch den Kopf, Webster würde sich ja doch bloß für Beine interessieren, wenn es vier davon gab.
Am nächsten Tag kam eine Frau herein und sagte in verteidigendem Ton: »Bei mir stehen keine Bücher mehr aus. Ich habe sie bereits durch Mrs. Walker zurückbringen lassen, weil ich damals wenig Zeit zum Lesen hatte. Da ich eben etwas Luft habe, möchte ich einige Bücher mitnehmen. Mein Name ist übrigens Evelyn Garland.«
Jill blickte sie überrascht und interessiert an. Das also war diese mittelalterliche Schullehrerin im Ruhestand, mit der man sie verglichen hatte. Jill wäre froh, wenn sie selbst Ende der fünfzig noch so gut aussehen würde. Schönheit in Gestalt und Ausdruck in reifen Jahren war etwas anderes, als mit zwanzig Jahren hübsch zu sein.
Evelyn
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