Verlieb Dich nie in einen Tierarzt
gelernt, und das half ihr in ihrer Ehe mit diesem passionierten Tierarzt. Trotzdem bedauerte sie es manchmal, daß sie so wenig Zeit hatten, sich über allgemeinere Themen zu unterhalten — oder über Dinge, die sie beide betrafen.
»Wenn wir nicht unsere Hunde hätten, so würde ich jetzt langsam glauben, daß alle Tiere krank sind«, sagte sie einmal nach einer Donnerstagsnachmittags-Sprechstunde. »Cuthbert erfreut sich bester Gesundheit, und unsere zwei werden auch nie krank, obwohl der arme Butler ständig Blut spendet. Warum haben denn die anderen Leute soviel Kummer mit ihren Tieren?«
»Zum Teil ist es Pech, daß sich die Tiere mit irgendwelchen Viren infizieren. Zum größten Teil liegt es an einer falschen Ernährungsweise. Du kennst doch die Keks-und-Kuchen-Hunde! Ich versuche den Leuten immer wieder klarzumachen, was sie mit der Häppchenfütterei anrichten. Sie wollen es einfach nicht glauben und halten uns Tierärzte für hartherzig und grausam.«
Jill wußte, daß dieser Vorwurf auf Matthew bestimmt nicht zutraf. Im Gegenteil. Er unternahm alles, um Tiere nicht unnötigerweise leiden zu lassen, und zeigte ehrliches Mitgefühl, wenn einem Tier nicht mehr zu helfen war. Aber er war nicht sentimental. »Ein Tierarzt kann sich das nicht leisten«, hörte sie ihn oft dozieren. »Behandelt eure Tiere so gut ihr könnt, liebt sie soviel ihr möchtet, aber schließt nicht die Augen vor der Tatsache, daß ihr euch eines Tages von ihnen trennen müßt. Alle Lebewesen haben eine begrenzte Lebensdauer, und die der meisten Tiere ist verhältnismäßig kurz. Seid euch dessen bewußt, daß ihr eines Tages Abschied nehmen müßt, und verlängert das Leben nicht, wenn es für das Tier nur Leiden und Qual bedeutet. Und ich kann euch nur raten, findet so schnell wie möglich einen neuen Freund, der die schmerzliche Lücke ausfüllt, wenn das Unvermeidliche eingetreten ist.«
Das war keine Hartherzigkeit, sondern gesunder Menschenverstand und Realismus. Je intensiver sie sich mit seiner Arbeit beschäftigte, desto mehr liebte und bewunderte sie ihn. Aber wie in jeder Ehe gab es auch in der ihren weniger glückliche Momente, Zeiten, wenn Matthew in seinen Sorgen aufging und nicht bemerkte, daß seine Frau sich aus unerklärlichen Gründen kreuzelend fühlte. Unerklärlich? Nein. Sie war nicht dumm und konnte eins und eins zusammenzählen. In ihrem Fall würde das Ergebnis in wenigen Monaten drei sein. Sie erwartete ein Baby. Der Praktische Arzt in Wardston bestätigte ihre Diagnose.
Anfangs war sie nicht sicher, ob sie wirklich glücklich darüber war. Sie hätte noch gern ein weiteres Jahr in der Praxis mitgearbeitet, Matthew bei seinen Besuchen auf die Farmen begleitet, wo sie bei den Farmersfrauen immer herzlich willkommen war. Sie wollte ihr Haus noch weiter verschönern, mit Evelyn herzlich über die Menagerie lachen und Rachel in ihrem Leid beistehen. Auf keinen Fall wollte sie sich abkapseln und mit ihren eigenen Sorgen beschäftigt sein, und am wenigsten paßte es ihr, daß sie sich morgens so elend fühlte und blaß aussah.
Dann begann sie plötzlich über sich selbst zu lachen. Wie dumm sie doch sein konnte. Warum sollte sich in ihrem Verhältnis zu ihrem Mann und zu den Freunden überhaupt viel ändern? Sie konnte ein Baby haben und trotzdem Matthews Gefährtin, Evelyns Freundin und Rachels Vertraute sein. Kein Grund zur Aufregung. »Ein ganz natürlicher Zustand«, wie die Ärzte immer zu behaupten pflegten. Das Leben würde mit einem Kind noch lustiger werden, und Matthew wäre entzückt.
Wäre er das wirklich? Es bedeutete, daß sie früher oder später ihre Arbeit in der Praxis aufgeben müßte, ein Heim, dessen Ruhe außer vom Telefon nun bald auch noch vom Babygeschrei gestört wurde. Außerdem bedeutete es für ihn, daß er mit seinen Wünschen und Anliegen bei seiner Frau nicht mehr an erster Stelle käme. Es bedeutete... oh, wie dumm sie doch war. Sicherlich würde Matthew vor Freude an die Decke hüpfen, und je eher sie es ihm erzählte, desto besser.
Doch das war leichter gesagt als getan. Sie hatte schon viele solcher süßen Geständnisse in Romanen gelesen, nur hatten die Heldinnen das Glück, mit weniger beschäftigten Ehemännern gesegnet zu sein. Jedesmal, wenn sie eine jener romantischen Szenen vorbereitete, kam etwas dazwischen: Irgend jemand stand mit irgendeinem Anliegen vor der Tür, das Telefon schrillte, und Matthew mußte einen Notfall verarzten, oder Großvater kam auf ein
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