Verlieb Dich nie in einen Tierarzt
mehr einschüchterte, verlor Trevor völlig seine Nervosität und stotterte auch nicht mehr. Hatte er sich vorher nur bei Robert Henderson ganz natürlich geben können, so war er jetzt auch bei anderen nicht mehr gehemmt.
Besonders gern besuchte er Jill in der Praxis und freute sich, wenn er manchmal bei der Behandlung der Tiere zusehen durfte.
Auch zu Evelyn ging er öfter und spielte dort mit den Tieren. Er war der einzige, der vor der aggressiven Mantelmöwe nicht weglief, wenngleich sie auch fetter, arroganter und noch unfreundlicher geworden war. Die Katzen, die für Besucher nur zur Fütterungszeit sichtbar wurden, kamen auf sein Rufen aus ihren Verstecken hervor, und oft durfte er sie selbst füttern. Jill beobachtete ihn einmal bei dieser Zeremonie und erzählte es begeistert ihrem Großvater.
»Vom Mangel zum Überfluß«, bemerkte Henderson lakonisch. »Nun, da das Eis gebrochen ist, wird das Schmelzwasser die unglückseligen Erinnerungen wegspülen.«
»Es ist beinahe schade, daß er und Rachel nicht immer bei Evelyn wohnen können. Evelyn hat es ihnen angeboten, aber Rachel wollte ihr eigenes Heim.«
»Es würde ihr zweifellos so manchen bösen Klatsch ersparen«, bemerkte dazu ihr Großvater. »Aber ich glaube nicht, daß Rachel viele Feinde hat, und auf jeden Fall ist sie nicht die Frau, der der Klatsch etwas ausmacht.«
Eines Tages sprach Rachel mit Jill ganz offen darüber. »Ich nehme an, daß die Leute ziemlich viel über mich reden. Einige gaffen heimlich durch die Jalousien, um sich zu vergewissern, daß Alan zu einer >anständigen< Zeit das Haus verläßt — und er tut es, zum Kuckuck noch mal!«
Wie das Glück den Menschen verändern kann, dachte Jill.
Rachel konnte über sich und ihre Sorgen lachen, sich über Alans hartnäckige Wohlanständigkeit lustig machen, allen Nachbarn ins Gesicht sehen — ohne die geringste Verlegenheit. Vierzehn unglückliche Jahre haben sie nicht verbittert, sondern ihren Charakter gestärkt.
Ihre Arbeit im Lebensmittelgeschäft führte sie aus ihrer Isolierung heraus. Plötzlich hatte sie Freunde im ganzen Dorf. »Solange ich Jims Frau war, sind mir die Leute aus dem Weg gegangen«, erzählte sie Evelyn. »Jetzt finden sie es aufregend, sich den Kopf zu zerbrechen, ob ich wohl Alans Geliebte bin.«
Auch Alan Reid hatte sich verändert. Sogar Matthew fiel es auf. »Ich hatte immer gedacht, daß Alan sich nicht die Bohne um seine Farm kümmert. Er überließ immer alles Turner. Jetzt scheint er einen unglaublichen Eifer entwickelt zu haben und verrichtet auch lästige Arbeiten zum Teil selbst, im Moment sogar eine ganz besonders verdrießliche.«
»Und die wäre?« fragte Jill ohne besonderes Interesse. Die Arbeit eines Farmers erschien ihr neuerdings als eine Anhäufung lästiger Tätigkeiten.
»Nun ja, auf einer der hinteren Weiden steht eine Kuh. Sie hatte ein überdurchschnittlich großes Kalb, und seitdem sind ihre Hinterhaxen gelähmt. Ich riet ihm, sie ins Schlachthaus zu schicken, aber Alan wollte davon nichts hören, weil eines von Turners Kindern sie großgezogen und mit ihr bei der Kälberschau einen Preis gewonnen hatte. Der Junge ist zwar jetzt im Internat, aber wenn er in den Ferien heimkommt, kümmert er sich rührend um die Kuh. Und du weißt, wie die privilegierten Viecher sind. Diese Kuh nun liegt den lieben langen Tag auf der Weide und unternimmt nicht die geringste Anstrengung, sich zu erheben und selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Reid bringt ihr jeden Tag zweimal Heu und Wasser. Sie frißt es liebenswürdigerweise selbst — gefüttert muß sie nicht werden aber das ist schon alles.«
»Alan ist ein Schatz. Ich hoffe, daß sich die Kuh erholt.«
»Das ist nicht wahrscheinlich. Wenn sich die Kühe so fest niederlassen, kommen sie im allgemeinen nicht mehr aus eigener Kraft auf die Beine.«
Noch am selben Tage aber konnte Jill ihren sonst so gescheiten Ehemann eines Besseren belehren. Alan Reid war in die Praxis gekommen und hatte ziemlich verwirrt nach Matthew gefragt.
»Eigentlich bin ich froh, daß er nicht da ist. Ich komme mir vor wie das dümmste Langohr. Du kennst doch sicherlich unsere gelähmte Kuh und weißt, wie oft ich sie von Matthew habe behandeln lassen.«
»Zweimal täglich hast du ihr Futter und Wasser gebracht.«
»Genau um dieses Miststück geht es. Sie hat uns alle hereingelegt.«
»Ist sie tot? Oh, wie schade.«
»Im Gegenteil. Sie ist ganz munter und grast auf der Weide.«
»Das ist doch großartig.
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