Verlieb dich nie nach Mitternacht
in seine Ohrläppchen verbiss.
»Willst du dein Frühstücksei etwa kalt werden lassen?«, hauchte sie ihm ins Ohr.
Lachend vergrub er sein Gesicht in ihren Locken.
»Soll das eine Beleidigung sein? Es beginnt gerade wieder zu kochen.«
»Du bist der albernste Mann, den ich kenne.« Überrascht verzog sie das Gesicht, als ihr ein klebriger Klecks in die Halskuhle klatschte.
Honig!
»Oh, Boris, bist du verrückt? Das klebt doch!«
»Nicht mehr lange!« Genüsslich schleckte seine Zunge über den Honig. Wonne und Qual gleichzeitig erregten sie. »Du bist die süßeste Frau, die ich kenne.«
»Und du bist verrückt!« Maribel schickte einen tiefen, sehnsuchtsvollen Seufzer hinterher. Sie war machtlos gegen ihre Gefühle für diesen Mann. Wie das Wasser eines klaren Bachlaufs spülte er jeden künstlich aufgebauten Widerstand einfach mit sich fort.
Wann war sie das letzte Mal derart glücklich gewesen?
Es klingelte an der Wohnungstür. Als er angespannt den Kopf hob und sie ansah, glänzte der Honig an seinem Kinn.
»Erwartest du jemanden?«
»Nicht, dass ich wüsste.« Maribel warf einen verärgerten Blick auf ihren Radiowecker. 7:15 Uhr – nicht die Zeit für unangemeldeten Besuch. Leise fluchend schwang sie die Beine aus dem Bett.
»Warte.« Seine Stimme klang drängend.
»Stimmt was nicht?«
»Sollten wir uns jemals trennen müssen – aus welchem Grund auch immer …«
»Kommt jetzt die Beichte, dass du verheiratet bist?«
»Maribel, bitte hör mir zu. Es ist wichtig.«
Die Türglocke ging erneut. Noch fordernder als beim ersten Mal. Maribel schaffte es nicht, das Klingeln zu ignorieren. Energisch verknotete sie den Gürtel des dünnen Morgenmantels vor ihrem Bauch und schlüpfte in ihre Pantoletten.
»Na wartet.« Doch bevor sie die Schlafzimmertür erreichte, hielt Boris, der ihr gefolgt war, sie am Arm zurück.
»Bitte, Maribel! Nur zwei Minuten.«
»Zwei schnelle Minuten.« Ihr Fuß schlug den Sekundentakt, während Boris nach Worten suchte.
»Sollte ich plötzlich verschwinden müssen, dann verliere nicht den Glauben an mich. Es kann sein, dass ich in einer völlig anderen Gestalt wieder zu dir zurückfinde – oder in einer anderen Zeit …« Er stockte, als er ihren ungläubigen Gesichtsausdruck registrierte.
»Am besten, du legst dich noch ein wenig hin.« Liebevoll streichelte sie ihm mit der Hand über die Wange.
Wovon redete er? Er konnte doch unmöglich ernst meinen, was er sagte?
Er verlangte zu viel von ihr, er hätte es wissen müssen. Trotzdem beschwor er sie noch ein letztes Mal: »Wir werden uns wiedersehen, Maribel, was immer auch geschieht. Bitte vergiss nie, dass ich dich liebe.«
Verärgert befreite sie sich aus seinem Griff. »Also wirklich, Boris! Was ist bloß los mit dir? Ein bisschen Klingeln ist doch kein Grund, in Panik zu geraten.« Sie drückte kurz seine Hand wie einem Kind, dem sie Mut zusprechen wollte. Dann zog sie entschieden die Schlafzimmertür hinter sich zu.
Eine Panikattacke, nur weil es an der Tür klingelte.
Nun allerdings schon zum dritten Mal. Da schien es jemand sehr eilig zu haben.
»Aufmachen, Polizei.« Mit der Faust wurde von außen kräftig gegen die Tür geklopft.
Maribel spürte, wie sich die Härchen auf ihrer Haut aufrichteten. Polizei? Bei ihr? Sie warf einen nervösen Blick zurück in Richtung Schlafzimmer.
Sie hätte Boris doch besser ausreden lassen sollen. Nun war es zu spät, um ihn eingehender zu befragen.
»Ich komm ja schon.«
Wo steckte denn nun schon wieder dieser verflixte Wohnungsschlüssel? Und weshalb vergaß sie ständig, einen Haken neben der Tür anzubringen, um den Schlüssel stets griffbereit zu haben? Schluderliese, hatte ihre verstorbene Mutter sie früher häufig scherzhaft genannt.
Wieder dieses verdammte Klingeln.
Maribel entdeckte den Schlüssel in der Küche neben dem Topf mit dem Rest der Tomatensoße, die sie gestern Abend zu den Spaghetti gegessen hatten. Im Hinauslaufen warf sie die Packung des Fertiggerichts in den Müllbehälter. Fast wäre der Schlüssel hinterhergeflogen, so zitterten ihr die Finger.
Erst als Maribel den Schlüssel ins Schloss steckte, stellte sie fest, dass nicht abgeschlossen war. Einen Moment lang blieb sie stehen und atmete bewusst aus. Es half nicht viel. Ihre Nerven flatterten weiter. Maribel drückte die Klinke hinunter.
Zwei Polizisten in Uniform stürmten an ihr vorbei in die Wohnung. Eine junge Frau in Zivil blieb vor Maribel stehen und musterte sie mit
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