Verliebt bis in die Haarspitzen (German Edition)
vergraben.
Ohne große Begeisterung fange ich mit der Arbeit an. Die Erde ist nass und schwer, Regenwürmer winden sich auf den Brocken, die ich mit der Schaufel aushebe. Es dauert keine zehn Minuten und ich bin erschöpft, mein Rücken ein Flammenmeer. Dabei habe ich gerade erst angefangen. Das markierte Rechteck ist nur um wenige Zentimeter tiefer geworden.
Am liebsten würde ich die Schaufel hinwerfen und mich heulend ins Bett verkriechen. Das ist der schlimmste Tag meines Lebens, und er ist noch lange nicht zu Ende. Ich muss mich zusammenreißen. Für Selbstmitleid bleibt später noch genug Zeit, ermahne ich mich. Ich werde solange weiterarbeiten, bis das Loch fertig ist. Ich werde an nichts denken, mich durch nichts ablenken lassen. Durch gar nichts! Ich werde so lange graben, wie es nur geht, und diese gruselige Arbeit hinter mich bringen.
Irgendwann kann ich nicht mehr, da hilft alles Zureden nichts. Ich bin vollkommen erschöpft. Jede Schaufel Erde, die ich aushebe, scheint Tonnen zu wiegen, und ich schaffe es kaum noch, die Erdbrocken auf die Seite zu kippen. Mit einem lauten Stöhnen werfe ich den Spaten hin, wanke zu dem dicken Stamm der Trauerweide und lasse mich daran zu Boden gleiten.
Ich brauche eine Pause. Nur ein paar Minuten, dann kann ich weitermachen …
Etwas Nasses tropft auf meinen Kopf. Immer wieder. Mühsam öffne ich die Augen, brauche einen Augenblick, um mich zurechtzufinden. Erstaunt registriere ich, dass ich es geschafft habe, einzuschlafen. Da nehme ich wochenlang Schlaftabletten, und dann fallen mir die Augen zu, obwohl es regnet, kalt ist und mein ganzer Körper ein einziger Schmerz zu sein scheint.
Mein Blick fällt auf die kümmerliche Grube, die ich ausgehoben habe. Wie soll ich nur den Rest schaffen, so wie ich mich fühle?Seufzend rappele ich mich hoch. Es hilft nichts. Wenn ich nicht im Gefängnis landen will, muss ich jetzt weitermachen.
Zum Glück hat der Regen nachgelassen, und der Vollmond wirft ein helles, milchiges Licht auf den Garten, das mir zu sehen erlaubt, was ich tue. Groß und schwer hängt der Mond am Himmel und leistet mir Gesellschaft. Doch dann wird es plötzlich dunkel, Wolkenfetzen verdecken die weiße Scheibe, die eben noch mein Freund war, und ein heftiger Wind kommt auf. Blätter rauschen. Ein Zweig knackt. Hinter mir wispert es.
Was war das? Der Schreck umklammert mein Herz wie eine eiserne Faust. Ich halte inne. Lausche. Ist da jemand? Angestrengt versuche ich, in der matten Dämmerung etwas zu erkennen.
Wieder knackt ein Ast. Es raschelt. Mit einem Mal geht mein Atem nur noch stoßweise, ein unwillkommener Gedanke rumort in meinem Kopf: Ich bin ganz allein mit einer Leiche.
Würde mich nicht wundern, wenn der Geist des Ermordeten umgeht und wütend ist, weil ich seinen Körper einfach verscharren will, anstatt für Gerechtigkeit zu sorgen. Ein kalter Schauer rieselt meinen Rücken hinab. Etwas Glitschiges streift meinen Arm, und ich mache einen Satz nach hinten, komme an den Rand der Grube und muss um meine Balance kämpfen. Und dann höre ich einen erstickten Schrei.
Sekunden später hocke ich neben dem Grab auf dem Boden und versuche, mich wieder zu beruhigen. Ich brauchte eine Weile, um zu merken, dass ich es war, die geschrien hat. Nichts ist passiert. Es ist nichts geschehen. Gar nichts . Wenn ich mir das lange genug einrede, glaube ich es vielleicht sogar.
Langsam, sehr langsam, fühle ich mich besser. Es war nur der Wind. Das ist alles. Ein Blatt des Strauches, neben dem ich eben noch gestanden habe, hat mich am Arm gestreift.
Mit einem tiefen Atemzug stehe ich auf, greife erneut die Schaufel. Es reicht! Ich werde jetzt diese verflixte Leiche verscharren und dann mit meinem Leben weitermachen.
Irgendwann ist das Loch tief genug. Mit einem erleichterten Seufzer lasse ich die Schaufel auf den Boden fallen und schleife den Toten die wenigen Meter von seinem Platz unter den Bäumen bis zur Grube herüber.
Und dann stehe ich unschlüssig da und starre auf die Plastikplane. Jetzt ist es soweit, ich muss das tun, wovor ich mich die ganze Zeit gedrückt habe. Ich muss ihn begraben, aber zuvor gibt es noch eine weitere Aufgabe zu bewältigen: Ich muss ihn durchsuchen. Vielleicht finde ich einen Hinweis auf seine Identität.
Zum hundertsten Mal an diesem Tag wünsche ich, weit weg zu sein.
Dann aber gehe ich daran, ihn von der Plane zu befreien, bis sein Körper vor mir liegt. Zaghaft klopfe ich seine Taschen ab. Nichts. Sie
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