Verliebt, verlobt und eingesargt
gewesen, gewannen an Geschmeidigkeit. Vor uns stand die Person, so wie ich sie kennengelernt hatte.
Die schöne, engelhaft wirkende Blondine Susy, die in Wirklichkeit ein Teufel war.
Und sie sprach uns an. »Ihr habt es gehört«, sagte sie mit ihrer etwas weich klingenden Stimme. »Mutter mag euch nicht. Ich hatte es mir schon gedacht, aber ich wollte ganz sichergehen, wißt ihr?«
Uns war plötzlich nicht nur kalt, auch unheimlich zumute. Hinter dem Grabstein hatte sich eine eisige Nebelinsel gebildet, die jetzt, aus welchen Gründen auch immer, in die Höhe wallte und über den Rand des Steins hinwegkroch, so daß sie auch die zwei Personen in einer erreichte, diese umwallte und aussehen ließ wie ein Gespenst. Es paßte einfach zu ihr, genau wie Susys Bewegungen, als sie lockend die Hände vorstreckte.
Neben mir straffte sich Sid.
Ich hörte sein scharfes Atmen und sah, wie er die Axt anhob. »John!« rief er plötzlich. »Jetzt kill ich sie. Ich schlag sie tot, diese Bestie!«
Bevor ich noch etwas unternehmen oder ihn zurückhalten konnte, rannte er vor und genau dem widerlichen und häßlichen Lachen entgegen, das aus dem Mund der schönen Frau drang…
***
Innerhalb eines Sekundenbruchteils wurde mir klar, daß Sid Ferry nie gewinnen konnte, sonst hätte diese Person vor uns nicht so schallend und widerlich gelacht.
Sie war sich ihrer Stärke voll bewußt. Und sie blieb auch stehen, als Sid den rechten Arm hob, damit er ihr mit einem Schlag den Schädel spalten konnte.
Er drosch zu, und er hatte sich nur auf dieses eine Ziel konzentriert, doch Susy machte ihm einen Strich durch die Rechnung. So schnell, wie sie sich bewegte, war dies kaum mit den Augen zu verfolgen. Sie huschte im letzten Augenblick zur Seite, und Sid Ferry hämmerte die Schneide der Axt gegen die obere Kante des Grabsteins. Der Rückstoß war so wuchtig, daß er mit seinen klammen Fingern den Griff nicht mehr halten konnte. Als hätte jemand dagegen geschlagen, so wurde ihm die Axt aus der Hand gewirbelt. Sie flog davon wie ein normales Stück Holz, und er prallte gegen den Stein. Das Mädchen aber lachte. Susy hatte ihren Spaß, als sie ein Messer hervorholte.
Die lange Klinge sah aus wie der dunkel gefärbte Körper einer bösartigen, starren Schlange, die plötzlich und gerade in dem Augenblick vorschnellte, als sich Ferry bewegte.
Und Susy traf.
Sid zuckte zusammen, stand für einen Moment zitternd auf dem Fleck, bevor er sich nach vorn beugte, dabei zur Seite fiel und gegen den Grabstein prallte.
Seine Hände sanken nach unten. Er preßte sie gegen die Wunde in seinem Körper, bevor er auf die Knie fiel und sich auch in dieser Lage nicht aufrecht halten konnte. Er kippte schwer auf die linke Seite und blieb liegen. Und ich? Was tat ich?
Es war zum Heulen. Niemals wäre ich untätig geblieben, aber ich konnte nicht so eingreifen, wie ich es mir gewünscht hätte. Es war nicht einfach, selbst den Arm anzuwinkeln. Er war so verdammt schwer, aber es gab nur noch eine Möglichkeit. Ich mußte mein Kreuz freibekommen. Vielleicht würde sein Anblick die Bestie mit dem Engelsgesicht stoppen. Es gelang mir, die Arme um den Hals zu legen und nach der Silberkette zu tasten. Mit klammen und spitzen Fingern zog ich sie in die Höhe, damit auch das Kreuz hochrutschen konnte.
Das geschah in dem Augenblick, als Sid Ferry auf dem knochenharten Grabboden lag.
Jetzt hatte Susy Zeit, sich mit mir zu beschäftigen. Sie drehte sich um und behielt das Messer in der Rechten. Von der Klinge tropfte es nach unten. Dicke, dunkle Flecken blieben auf dem Boden liegen. Sie starrte mich an. Groß waren ihre Augen, möglicherweise auch blutunterlaufen, so genau konnte ich das nicht erkennen. Mutter und Tochter waren eine Person und doppelt gefährlich. Susy lächelte. Nein, sie grinste schon, denn sie hatte die Lippen nur verzogen und die Zähne gefletscht. Es war das Lächeln einer fast Wahnsinnigen, so anders, so furchtbar und kalt. Sie bewegte sich breitbeinig wie ein Zombie, als sie auf mich zukam und mich dabei auf die Spitze der Klinge schauen ließ.
»Damit töte ich dich!« ächzte sie. »Ich werde dich in Stücke schneiden, Sinclair…«
Ich zog an der Kette. Verdammt, ausgerechnet jetzt steckte der Talisman zwischen Pullover und Schal fest. Das gab Susy Gelegenheit, sich mir noch weiter zu nähern.
Sie freute sich auf meinen Tod. Überdreht klang ihr leises Lachen. Es drang stoßweise aus ihrem Mund, und die Augen wirkten innerhalb der
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