Verlobt für eine Nacht
ab. Plötzlich gingen ihr unzählige Fragen durch den Kopf.
Warum, um alles in der Welt, hatte sie sich bereit erklärt, Leos Verlobte zu spielen, obwohl eine innere Stimme ihr dringend davon abgeraten hatte?
Da war natürlich das Geld, das Leo ihr bezahlte. Eve war zwar alles andere als geldgierig, doch die Vorstellung, so viel Geld zu haben, dass sie sich um Sam kümmern und die notwendigen Renovierungen durchführen konnte, war äußerst verlockend gewesen. Immerhin verhieß ihr das Geld eine Reparatur der Warmwasserleitung und die Anschaffung eines neuen Wäschetrockners, um trotz des unbeständigen Wetters in Melbourne mit Sams Wäsche hinterherzukommen.
Was für Gründe hatte es noch gegeben?
Ganz einfach, meldete sich eine innere Stimme zu Wort. Du bist neugierig.
Unsinn, dachte Eve, schob diesen unliebsamen Gedanken beiseite und konzentrierte sich bewusst auf die Fahrt durch die Stadt, die sie so liebte. Nach den vielen Jahren in Sydney war es wunderschön, wieder in ihrer Heimat Melbourne zu sein. Und dieser Tage schaffte sie es nur selten, aus dem Haus zu kommen und die Stadt zu genießen.
Doch so leicht ließ sich die Stimme in ihrem Innern nicht zum Schweigen bringen. Du willst wissen, ob er noch immer dieselbe Wirkung auf dich hat wie vor drei Jahren. Du willst wissen, ob es nicht nur seine Stimme ist, die dich so sehr in Aufruhr versetzt. Und du willst wissen, ob er dich noch einmal so voller Leidenschaft und Verlangen ansehen wird.
Nein! Unruhig rutschte Eve auf dem weichen Polster hin und her und verschob den Sicherheitsgurt ein wenig, sodass sie besser atmen konnte. Leidenschaft und Verlangen waren wirklich das Letzte, was sie jetzt brauchte. Sie trug die Verantwortung für ein Kind! Und genau deshalb habe ich mich ja überhaupt auf diese verrückte Sache eingelassen, redete sie sich schnell ein – um des Kindes willen, um das der leibliche Vater sich nicht kümmerte.
Eve biss sich auf die Lippe – nur kurz, denn dann fiel ihr wieder ein, dass sie Lippenstift trug. Es war ihr sehr schwergefallen, Sam für einen Abend in die Obhut der Nachbarin zu geben. So schwer, dass sie das Essen mit Leo um ein Haar wieder abgesagt hätte.
Doch Sam hatte fröhlich in der Badewanne geplanscht und mit Appetit gegessen. Sie hatte ihm noch eine Geschichte vorgelesen, und als sie ihn dann Mrs Willis überlassen hatte, war er schon fast eingeschlafen, den Daumen fest in den weichen, runden Mund geschoben. Aber was wäre, wenn er plötzlich aufwachte und sie vermisste? Wenn Mrs Willis ihn nicht beruhigen könnte? Eve versuchte jeden Gedanken daran beiseitezuschieben.
Es war kurz nach Sieben, und vor den Fenstern der Limousine wurde es langsam Nacht. Sanfte Schatten breiteten sich aus, und Melbourne ließ stolz seine Lichter erstrahlen. Auch Eve hatte sich herausgeputzt: Sie trug ein aquafarbenes Abendkleid, dessen Preis einem ganzen Monatslohn ihres alten Bürojobs entsprach. Doch dieser Abend verlangte nach etwas Vornehmerem als ihrer üblichen aus Modeketten stammenden Garderobe. Das erwartete Leo sicher. Außerdem hatte Eve sich sofort in das Kleid verliebt. Es schmiegte sich um ihre Kurven und fühlte sich herrlich weich auf ihrer Haut an. Und als ihr anderthalbjähriger Sohn dann aus seinem Kinderwagen aufgeblickt und begeistert in die drallen Händchen geklatscht hatte, war der Kauf endgültig beschlossen gewesen.
Offenbar sah Eve in ihrem neuen Kleid und mit den feinen frisch gefärbten Strähnchen wirklich gut aus, denn ihre Nachbarin hatte sprachlos gestaunt, als sie Sam entgegengenommen hatte. Die liebe Mrs Willis war für Sam ein wenig wie eine Großmutter – und die Einzige, die er je haben würde. Sie passte liebend gern auf den Kleinen auf und schien hocherfreut darüber, dass Eve ausnahmsweise einmal ausgehen würde. Sicher hoffte sie insgeheim, die jüngere Frau würde endlich einen netten Mann kennenlernen, einen Vater für Sam.
„Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Abend“, hatte sie lächelnd gesagt. „Und lassen Sie sich ruhig Zeit. Wenn Sie nach zehn wiederkommen, schlafe ich sicher schon. Dann holen Sie Sam einfach morgen früh ab.“
Und jetzt waren sie da. Der Wagen hielt, und der Chauffeur reichte ihr eine Keycard, während sich auch schon ein Portier näherte, um die Wagentür zu öffnen.
„Mr Zamos lässt Ihnen ausrichten, dass er ein wenig spät dran ist und Sie einfach in seine Suite gehen sollen.“
Eve dankte ihm lächelnd und hoffte inständig, dass sie sich
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