Verlobt für eine Nacht
unwillkürlich seine nackten breiten Schultern und die feinen dunklen Härchen auf seiner Brust vor sich, bevor sie den Blick in Gedanken an seinem Körper nach unten gleiten ließ …
Eve atmete ein und fluchte innerlich. Sie brauchte dringend Abstand und nutzte die Gelegenheit, als sein Telefon klingelte. Nach kurzem Umsehen beschloss sie, dass einer der Sessel die sicherste Lösung wäre. Und nun musste sie sich nur noch mit irgendetwas ablenken, um sich nicht ständig den unbekleideten Leo Zamos vorzustellen.
Zum Beispiel die Einrichtung, dachte sie und konzentrierte sich auf drei Schwarz-Weiß-Fotografien von Melbourner Straßen in den fünfziger und sechziger Jahren, die über dem Sofa hingen. Ihre Rahmen aus gebürstetem Gold milderten den starken Kontrast zur cremefarbenen Wand. Auch die übrige Einrichtung war äußerst dezent und stilvoll, wie Eve feststellte. Dem Raumgestalter war eine aparte, harmonische Kombination von Stoffen, Mustern und Strukturen gelungen. Vielleicht sollte ich so etwas bei mir zu Hause auch versuchen, dachte sie …
In diesem Moment beendete Leo sein Gespräch, setzte sich lässig aufs Sofa gegenüber und vertrieb jeglichen klaren Gedanken aus ihrem Kopf. Während er einen Arm auf der gepolsterten Lehne ausstreckte und einen Schluck Bier trank, sah er Eve so eindringlich an, dass ihre Haut zu prickeln begann und ihr Herz immer schneller schlug.
„Ich freue mich, meine virtuelle Assistentin nun einmal persönlich kennenzulernen und festzustellen, dass sie in Wirklichkeit ziemlich real ist.“
Als er langsam den Kopf schüttelte, vermutete Eve voller Panik, dass er sie wiedererkannt hatte.
Doch dann sagte er nur: „Und ich dachte immer, Evelyn Carmichael sei eine Frau mittleren Alters!“
Sie war so erleichtert, dass sie sogar ein Lächeln zustande brachte. „Zum Glück noch nicht ganz“, erwiderte sie.
„Aber Ihr Lebenslauf und Ihre Referenzen sind so umfangreich. Haben Sie etwa schon mit zehn Jahren angefangen zu arbeiten?“
Eve war überrascht, dass er dies noch wusste. Aber besser, er erinnerte sich an ihre Referenzen als an jenen Vorfall in einem Archivraum.
„Nein, mit siebzehn. Ich habe meinen Abschluss berufsbegleitend gemacht“, erklärte sie. „Und ich hatte das Glück, hilfreiche Kontakte zu knüpfen und dann durch Headhunter einige gute Stellen zu bekommen.“
Als Leo die Augen zusammenkniff, konnte sie förmlich sehen, wie er kombinierte. „Davon träumt ja sicher jede Assistentin. Warum haben Sie all das aufgegeben und sich selbstständig gemacht? Das war doch ein bestimmt ein großes Risiko.“
„Ach, ich …“ Eve machte eine nervöse Handbewegung. „Ich hatte schon so lange in einem Büro gearbeitet, da war es einfach mal Zeit für eine Veränderung.“
Er beugte sich vor und hob sein Bier, um mit ihr anzustoßen. „Umso besser für mich. Und es ist mir wirklich ein Vergnügen, Sie nach so langer Zeit persönlich kennenzulernen. Sie wissen ja gar nicht, was für ein Vergnügen.“
Sie stießen an, und die ganze Zeit blickte Leo ihr tief in die Augen. Jetzt, nachdem Eve sich ein wenig beruhigt hatte, fiel ihr wieder ein, wie heiß und machtvoll sein Blick war und wie er es schaffte, dass sich tief in ihrem Innern eine alles verzehrende Hitze ausbreitete.
„Danke, ebenso“, sagte sie leise, trank einen Schluck Mineralwasser und genoss das Gefühl der kalten Flüssigkeit. Am liebsten hätte sie sich das kühle Glas an die erhitzten Wangen gehalten.
Es hat sich nichts verändert, dachte sie. Leo Zamos war noch immer derselbe atemberaubende Mann, seine Ausstrahlung noch immer intensiv, machtvoll und gefährlich. Und es beunruhigte Eve, dass sie sich nach all dem, was sie in den vergangenen Jahren durchgemacht hatte, ihm gegenüber noch immer genauso ausgeliefert fühlte.
Sie ist absolut perfekt, dachte Leo, der in Gedanken die Liste der Eigenschaften durchging, die er für seine „Verlobte“ aufgestellt hatte. Dabei beobachtete er die Frau, die ihm gegenübersaß und sich vergeblich bemühte, entspannt zu wirken. Sie saß auf dem äußersten Rand des Sessels, nahm ihr Glas in die Hand und stellte es wieder ab, ohne daraus getrunken zu haben. Schließlich entschuldigte sie sich und ging ins Badezimmer.
Warum hatte ihr sein Vorschlag so widerstrebt, obwohl sie doch ganz offensichtlich sämtliche Erwartungen erfüllte? Evelyn war intelligent, das wusste er aufgrund der Arbeit, die sie für ihn erledigte. Klasse hat sie auch, dachte er,
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