Verlobt, verliebt, verführt
mitten in ihrem Wohnzimmer und wusste tatsächlich nicht, was sie jetzt tun sollte.
Nur einen einzigen Patienten zu versorgen, das war nicht gerade tagesfüllend.
Der Tag erstreckte sich endlos vor ihr. Dabei hatte sie sich in ihrem ganzen Leben keinen Moment Freizeit gestattet und sollte es eigentlich genießen. Schließlich schnappte sie sich ihre medizinischen Fachzeitschriften und wissenschaftlichen Berichte, die sie von der Arbeit mitgenommen hatte. Doch zum ersten Mal machte ihr Lesen keinen Spaß.
Nicole setzte sich vor den Fernseher, den sie erst ein paar Mal eingeschaltet hatte, obwohl sie ihn schon seit Jahren besaß.
Es dauerte keine fünf Minuten, und sie zappte gebannt von einem Kanal zum nächsten, um mitzubekommen, was tagsüber lief, von Talkshows über Serien bis zu Filmklassikern.
Als das Telefon klingelte, hob sie verärgert den Kopf. Als sie den Hörer abnahm, wurde ihr Ärger noch größer.
„Hallo.“ Es war die kultivierte etwas träge Stimme von Dr. Lincoln Watts. „Machen Sie heute mal blau?“
Nicole umklammerte den Hörer etwas fester. „Ich habe ein Anrecht auf einen freien Tag.“
„Ist es gestern spät geworden?“ Seine Stimme klang tiefer. „Oder hat Ihr Liebhaber Sie heute Morgen nicht aus dem Bett gelassen?“
„Ich komme heute nicht zur Arbeit, Dr. Watts. Mehr hat Sie nicht zu interessieren. Schluss.“ Es erstaunte Nicole, wie ruhig sie klang. Weil die Werbepause im Fernsehen gerade zu Ende war, legte sie wieder auf. Erst als sie auf ihre Hand mit dem Telefon blickte, merkte sie, dass sie vor Ärger zitterte.
Keine zwei Sekunden später klopfte es an der Tür. So ein Mist, dachte sie, stand auf und öffnete, aber ohne den Blick vom Fernseher zu nehmen.
„Guten Morgen.“ Suzanne hielt ein abgedecktes Tablett in den Händen, das so himmlisch roch, dass Nicole augenblicklich das Fernsehen vergaß.
„Das ist nicht für dich.“ Suzanne zog das Tablett zur Seite, als Nicole das Tuch anheben wollte. „Es ist für Ty. Sag ihm, ich hoffe, dass es ihm besser geht.“
„Du hast Ty etwas zu essen gebracht und mir nicht?“
„Genau. Und friss ihm nichts weg. Er braucht alle Kraft, um wieder gesund zu werden.“ Beim Anblick des Lochs in der Decke pfiff Suzanne leise. „Der arme Kerl.“
„Er ist ein erwachsener Mann.“ Nicole hatte in der Nacht ausreichend Gelegenheit gehabt, seinen perfekt geformten Körper in allen Einzelheiten zu betrachten. „Essen hilft ihm nicht beim Gesundwerden.“ Sie hob das Kinn. „Dazu braucht er meine Fähigkeiten als Ärztin.“
Mitleidig schüttelte Suzanne den Kopf. „Ach, Honey, du musst noch eine Menge über Männer lernen. Man kommt nur auf einem Weg an sie ran, und das hat – entgegen einer weit verbreiteten Annahme – nichts mit Verführungskünsten zu tun. Ihr lustempfänglichster Punkt ist der Magen. Gib ihm dieses Tablett und wünsch ihm lächelnd einen guten Morgen. Dann wirst du sehen, was ich meine. Du kannst doch lächeln, oder? Auch wenn es noch so früh ist?“
Wütend sah Nicole sie an.
Suzanne lachte. „Tja, ehrlich gesagt, sehe ich dich nur selten lächeln. Meistens arbeitest du ja nur.“
„Heute nicht. Ich habe mir den Tag freigenommen.“
„Du?“, rief Suzanne ungläubig.
Entnervt verdrehte Nicole die Augen. „So eine große Sache ist das ja auch nicht.“
„Für dich schon. Du bist doch arbeitssüchtig. Und nun hast du dir wegen Ty einen Tag freigenommen. Das ist stark.“
„Er ist schließlich durch meine Zimmerdecke gestürzt.“
„Einen freien Tag für einen Mann. Wart ab, bis Taylor erfährt, dass es dich erwischt hat. Am Ende steht sie als Einzige von uns da, die sich an den Schwur hält.“
„Nein, nein.“ Nicole lachte. „Ich weiß ja nicht, was du jetzt vermutest, aber vergiss es gleich wieder. Ich bleibe für immer Single, genau wie Taylor.“
„So, so.“
„Wirklich.“ Das meinte Nicole ernst. Früher oder später würde Ty mit seinem Job hier fertig sein und dann verschwinden. Wahrscheinlich würde er über kurz oder lang sogar ganz aus L. A. wegziehen. Es trieb ihn nun einmal immer weiter.
Sie würde dann auch nach vorn sehen. Sie würde …
Ich werde ihn vermissen, dachte sie. Und wie!
Aber ihr Lebensplan sah keinen Mann vor. Ihre Karriere, ihre Familie und ihre neugierigen Freundinnen reichten ihr.
„Ich habe es auch erst geleugnet.“ Suzanne lächelte wissend.
„Da gibt es nichts zu leugnen.“
„Verstehe. Ich komme später wieder und hole das Tablett.
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