Verlockung der Nacht
Problem vermutlich nicht mehr, aber der Blick, den er mir zuwarf, als er meinen BH öffnete, sollte mich dazu bringen, vor Scham die Fassung zu verlieren. Was ich nicht tat; mein Körper war zwar nackt, aber seine Seele war es, die er durch sein Handeln entblößte. Ich schämte mich nicht, als Kramer grob meine Brüste betatschte, ohne dabei dem Messer zu nahe zu kommen, das zwischen ihnen steckte. Ich war wütend. Ich wollte ihn in Stücke reißen und dann jedes einzelne zu Asche verbrennen, aber Wut war jetzt nicht gefragt. Um mein übersinnliches Signal aussenden zu können, brauchte ich etwas anderes.
Es fiel mir nicht schwer, ausreichend Gewissensbisse und Reue in mir hochkommen zu lassen, dass es mir die Kehle zuschnürte und meine Augen feucht wurden. Ich musste lediglich an einen Tag vor einigen Jahren denken, an dem ich Bones geküsst und ihm gesagt hatte, ich würde ihn lieben … um ihn dann zu hintergehen, indem ich spurlos verschwand. Damals hatte ich geglaubt, ich könnte ihn nur schützen, indem ich ihn verließ, und Don hatte mich über vier lange Jahre äußerst effektiv versteckt gehalten. Wir hatten beide gelitten wie die Hunde, bis Bones mich schließlich aufgespürt hatte.
Vier Jahre. Wir waren länger getrennt als zusammen gewesen, und das nur, weil ich aufgegeben hatte, als ich mich hätte behaupten sollen. Bones hatte mir vielleicht verziehen, aber ich selbst konnte das nicht. Die Erinnerung an den Fehler, den ich mehr als jeden anderen ungeschehen machen wollte, ließ mir Tränen über die Wangen laufen. Immer schneller flossen sie, tropften herab und landeten auf Kramers Händen. Kramer hörte auf, meine Brüste zu quetschen, um mit grausamer Genugtuung einen Blick auf die pinkfarbene Flüssigkeit zu werfen.
»Weine noch mehr blutige Tränen, Hexe . Das beweist nur, dass du mit Satan im Bunde bist.«
»Das Einzige, was es beweist, ist, dass Vampire nicht so viel Wasser im Körper haben wie Menschen, du Idiot«, sagte ich und freute mich über die schallende Ohrfeige, die mir das einbrachte, weil sie mir noch mehr Tränen in die Augen trieb.
Schließlich ließ Kramer, stets dem Messer ausweichend, sein widerliches Maul über meine Haut wandern, wobei seine bräunlich verfärbten Zahnruinen Furchen hinterließen. Ekel überkam mich, aber ich bemühte mich, es zu ignorieren und mich ganz auf die weiße Leere zu konzentrieren, die über mich gekommen war, als ich das letzte Mal die Macht des Grabes angerufen hatte. Anders als damals schlummerte sie nicht direkt unter der Oberfläche. Ich musste sie suchen. Die schmerzende Stichwunde und die Tatsache, dass Kramer sich inzwischen ein Stockwerk tiefer an mir zu schaffen machte, raubten mir die Konzentration, aber ich bemühte mich, all das beiseitezuschieben. Ich musste den schwachen Funken in meinem Innern finden. Die Macht hatte mich fast verlassen, aber eben nur fast. Irgendwo in mir musste sie sein …
Kühle, beruhigende Stille schien über das Pochen der Silberklinge und mein schlechtes Gewissen zu streichen und linderte beides mit ihrer Liebkosung. Durch die Tränen hindurch lächelte ich. Genau so. Um Zugriff auf diese besondere Macht zu haben, musste man loslassen, sich weder an psychischen noch an physischen Schmerz klammern. Ich konzentrierte mich auf jene herrliche Leere, die die flüchtige Liebkosung angedeutet hatte, und fand schließlich den letzten Funken, den ich gesucht hatte. Er war winzig im Vergleich zu dem, was er vor ein paar Monaten noch gewesen war, aber ich konnte ihn spüren. Gott, ich hatte ganz vergessen, wie schön dieser stille Abgrund war! Ich fühlte mich, als würde ich nach Hause kommen. Die Tränen, die mir nun von den Wangen tropften, waren erfüllt von einem unbeschreiblichen Frieden. Wenn diese Macht aus dem Kontakt mit den Rändern der Ewigkeit stammte, musste man sich vor dem Tod wirklich nicht fürchten.
Kramer fuhr zurück und betrachtete mich mit einer Mischung aus Borniertheit und Verwirrung.
»Warum flehst du mich nicht an aufzuhören? Warum bist du so still?«
Ich löste mich so weit aus der verlockenden Umarmung des Grabes, dass ich die Kraft festhalten, mich aber noch auf Kramer konzentrieren konnte.
»Mein Betteln käme dir gerade recht, und du hast dich in mir getäuscht, wenn du glaubst, ich würde tun, was du willst. Weißt du, worin du dich noch getäuscht hast? Dem Grund für meine Tränen.«
Jetzt fühlte es sich an, als würde die Stelle in meinem Innern geradezu summen, die Leere
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