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Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)

Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe)

Titel: Verlorene Seelen - Carola Pütz erster Fall (Der neue Roman vom Autor der Oliver-Hell-Reihe) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wagner
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siebzehn Uhr und bereits dunkel, als die Vogtlandbahn auf dem kleinen Bahnhof von Mühlhausen anhielt. Der Bahnsteig wurde von einer einzelnen Lampe spärlich beleuchtet. Die Automatiktüre des Triebwagens gab ein leises zischendes Geräusch von sich und schwang elegant nach außen. Carola Pütz hatte das Gefühl, der Triebwagen würde sie nun in eine andere Welt entlassen. In eine längst vergangene Welt. Sie hob ihre beiden Trollys aus dem Triebwagen und machte einen Schritt auf den Bahnsteig. Wieder das Zischen. Die Türe schwang zu. Der Triebwagen fuhr leise an. Schon legte er sich leicht in die Kurve und nahm Fahrt auf. Dr. Pütz war alleine. Sie stand unter dem hölzernen Vordach des Bahnhofs und sah sich um. Niemand außer ihr war dort. Kein Shuttle. Sie zog die beiden Trollys langsam über den Betonboden. An der Ecke des Bahnhofs drehte sie sich um. Oben an der Hauswand war eine rechteckige Uhr angebracht. Sie zeigte zwei Minuten vor fünf.
    Pünktlichkeit geht anders, dachte sie. Sie hatte erwartet, das Shuttle schon wartend vorzufinden. „Reg dich nicht auf“, murmelte sie vor sich hin und wunderte sich, dass sie Selbstgespräche führte. In dem Moment meinte sie, einen Lichtschein auf der Straße hinter dem Bahnhofsgebäude auszumachen. Ein Lichtkegel näherte sich. Sekunden später hielt ein weißer Mercedes Bus neben ihr.
    Auf der Seite stand in großen geschwungenen Lettern Kurklinik ‚Sachsenglück‘. Das Motorengeräusch erstarb und die Fahrertüre wurde aufgerissen. Ein Mann mit einer blauen Schirmmütze eilte um das Auto herum. Atemlos, als wäre er den ganzen Weg gelaufen, baute er sich vor ihr auf und meinte: „Sie müssen Frau Doktor Pütz sein, stimmt‘s?“ Sein Tonfall war eindeutig sächsisch. Die Mütze ähnelte irgendwie den viel zu großen Schirmmützen der russischen Armee.
    „Ja, das stimmt.“
    „Entschuldigen Sie die Verspätung vielmals.“ Er verbeugte sich tief.
    „Ist schon gut, ich bin gerade erst angekommen.“
    Die Verzweiflung im Gesicht des Mannes schien echt zu sein. Nach ein paar Tagen in der Klinik konnte sie nachvollziehen, warum der Mann so demütig war. Aber im Moment war sie eher nur überrascht. Blitzschnell verstaut er ihre beiden Trollys im Kofferraum und öffnete die seitliche Schiebetüre wieder mit einer tiefen Verbeugung.
    Schweigend fuhren sie die zwei Kilometer vom Bahnhof bis in den Ort hinein. Es war Ende November und in einigen Gärten und in vielen Fenstern gab es Weihnachtsschmuck. Durch ihren Aufenthalt im Krankenhaus war es ihr gar nicht bewusst, dass die Adventszeit begonnen hatte. Selbst die letzten Jahre war das an ihr vorbei gegangen. Wenn sie sich richtig erinnerte, dann war in den letzten Jahren nie wirklich Zeit für Besinnlichkeit gewesen. Hätte sie die haben wollen? Hatte sie etwas vermisst? Nun, eigentlich nicht. Aber dieses Jahr würde sie sehr wahrscheinlich ein e volle Dosis davon abbekommen. In beinahe jedem Vorgarten war mindestens eine erleuchtete Figur aufgestellt. Manche hatten sogar mehrere. Nachbarschaftlicher Wettstreit. Irgendwie entlockte ihr das ein Schmunzeln. In ihrem Haus, das sie noch im letzten Jahr zusammen mit ihrem Ex-Ehemann bewohnt hatte, kannte man diese Art des Gartenschmuckes nicht. Dort hätte man das eher hochnäsig belächelt. In ihrer neuen Etagenwohnung gab es keinen Garten.
    Während sie noch darüber nachdachte, ob sie sich wohl einen Weihnachtsbaum gekauft hätte, fuhr das Shuttle auf einen riesigen Weihnachtsbaum zu. Selbst im Vergleich mit Frankfurt, wo es in der Fußgängerzone einige große Bäume gab, hätte dieser hier wirklich gut abgeschnitten. War die Größe schon imposant, so war der Baum auch noch in ein Lichtermeer getaucht. Das Shuttle wurde im Vorbeifahren hell erleuchtet.
    „Ja, das ist der ganze Stolz von Frau Doktor“, brach der Fahrer sein Schweigen. Carola Pütz lächelte ihn an. Sie waren angekommen. Der gigantische Baum war also der erste Vorbote der Kurklinik ‚Sachsenglück‘.
    Der Kies knirschte unter den Reifen, als das Shuttle um eine große Blumenrabatte herumfuhr. Wie in einem hochherrschaftlichen Schloss, dachte sie. Vor der großen Freitreppe, die hinauf zur Eingangstüre führte, bremste der Fahrer sanft ab. Er stieg aus, ging mit schnellen Schritten um sein Auto herum und öffnete die Schiebetüre. Er hielt ihr die Hand hin, doch sie schaffte es, alleine auszusteigen. Schiebetüre schließen und den Kofferraum öffnen waren geübte Handgriffe. Schon hatte er die

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