Verlorene Seelen
anstellen, doch ich mußte immer wieder an den Frank Moore denken, den ich am Priesterseminar kennengelernt habe.«
»Diese Nachforschungen sind noch nicht
abgeschlossen.« Ungeduldig blickte Ben auf seine Armbanduhr.
»Ich weiß, aber ich habe ihn gekannt, verstehen Sie, ich weiß, daß er eine Mischung aus Heiligem und Fanatiker war. Dann fiel mir einer seiner Studenten ein, der nach einem aufsehenerregenden Krach mit Moore das Seminar verlassen hat. Er fiel mir deswegen ein, weil der junge Mann dann später ein bekannter Schriftsteller geworden ist. Stephen Mathias.«
»Von dem habe ich schon gehört.« Ben geriet allmählich in Aufregung und trat ein Stück näher. »Sie meinen, daß Mathias …«
»Nein, nein.« Logan, den es verdroß, daß er nicht schneller zu sprechen oder sich klarer auszudrücken vermochte, holte tief Luft. »Ich kannte Mathias noch nicht einmal persönlich, da ich bereits an der Universität angestellt war, als all das passierte. Aber mir fiel ein, daß es immer geheißen hatte, daß es nichts und niemanden im Seminar gab, über den Mathias nicht Bescheid wußte. Für seine ersten Bücher hat er sogar viele
Insiderinformationen verwendet. Je länger ich über diese Sache nachdachte, desto mehr Dinge fielen mir ein. Und ich erinnerte mich auch an einen ganz bestimmten Roman von ihm, den ich mal gelesen hatte und in dem von einem jungen Studenten die Rede war, der nervlich
zusammengebrochen war und das Seminar verlassen hatte, nachdem seine Schwester – seine Zwillingsschwester – an den Folgen einer illegalen Abtreibung gestorben war.
Offenbar gab es damals einen ungeheuren Skandal. Man 435
fand heraus, daß die Mutter des jungen Mannes in einer Nervenheilanstalt lebte und daß er selbst wegen Schizophrenie behandelt worden war.«
»Dann lassen Sie uns schnellstens Mathias ausfindig machen«, sagte Ben und schickte sich an, den Korridor hinunterzugehen, als Logan ihn zurückhielt.
»Das habe ich bereits getan. Es waren nur ein paar Anrufe erforderlich, um ihn aufzuspüren. Er wohnt in Connecticut und konnte sich genauestens an den Vorfall erinnern. Der betreffende Seminarist war von
ungewöhnlich großer Ergebenheit gegenüber Moore wie auch gegenüber der Kirche. Er war sogar Moores Sekretär.
Mathias sagt, sein Name sei Louis Roderick gewesen.«
Es ist möglich, daß einem das Blut in den Adern erstarrt, das Herz aufhört zu schlagen und der Körper trotzdem am Leben bleibt. »Sind Sie sicher?«
»Ja, Mathias war sich absolut sicher, doch auf meinen Wunsch ist er extra seine Aufzeichnungen von früher durchgegangen und hat es nachgeprüft. Er ist bereit, herzukommen und Ihnen eine Beschreibung zu geben. In Verbindung mit dem Namen wird es Ihnen sicher
gelingen, den Mann ausfindig zu machen.«
»Ich weiß, wo er ist.« Ben wirbelte herum, rannte ins Dezernat und stürzte sich auf das erstbeste Telefon.
»Sie kennen ihn?« Logan hielt Ed fest, bevor ihm dieser ebenfalls entwischen konnte.
»Er ist Polizist. Er ist einer von uns, und im Moment leitet er gerade die Außenüberwachung von Tess’
Apartment.«
»O mein Gott.« Während im Dezernat alles in
Bewegung geriet, fing Logan an zu beten.
Streifenwagen wurden losgeschickt, um zu Rodericks 436
Adresse und zu Tess’ Apartment zu fahren. Als Ben aufbrach, heftete Logan sich an seine Fersen. »Ich möchte mitkommen.«
»Das ist eine polizeiliche Angelegenheit.«
»Vielleicht beruhigt es ihn, wenn er einen Priester sieht.«
»Kommen Sie uns nicht in die Quere.« Sie stürmten durch die Glastür und rannten beinahe Lowenstein über den Haufen.
»Was, zum Teufel, ist denn hier los?«
Halb verrückt vor Angst packte Ben sie beim Kragen ihres Mantels. »Warum bist du nicht bei ihr? Warum hast du sie allein gelassen?«
»Was hast du denn? Nachdem Lou angerufen hatte, um uns mitzuteilen, daß alles vorüber ist, hatte ich doch keinen Grund mehr, bei ihr rumzuhängen.«
»Wann hat er angerufen?«
»Vor zwanzig Minuten. Aber er hat gesagt, du seist auf dem Weg …« Obwohl sie es nicht wahrhaben wollte, verriet Bens Gesichtsausdruck ihr alles. »O Gott, nicht Lou? Aber er ist doch …« Ein Polizist. Ein Freund.
Lowenstein riß sich zusammen. »Er hat vor zwanzig Minuten angerufen und mir gesagt, daß der Mann verhaftet worden ist und daß ich aufs Revier kommen soll.
Daran habe ich in keiner Weise gezweifelt. Gott, Ben, ich bin gar nicht auf den Gedanken gekommen, es mir von der Zentrale bestätigen zu lassen.
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