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Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Titel: Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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seltsame Wesen in seine Kutte und zauberte ein kurzes Schwert hervor. Sechs weitere Wachen, mit Fackeln und Armbrüsten bewaffnet, stürmten in die Schatzkammer. Rai stand noch immer unbeteiligt mit seinem Schwert in der Mitte des Raums, während er mit ansah, wie der verhüllte Fremde den Armbrustbolzen auswich, als wären es gemächlich heransummende Bienen. Bevor die Wachen ihre Armbrüste wegwerfen konnten, um zu ihren Schwertern zu greifen, waren schon zwei von der zuckenden Klinge des Fremden niedergestreckt worden.
    Rai hatte all das beobachtet, als wäre er nur ein Zuschauer bei einem spannend inszenierten Theaterstück, aber als schließlich einer der vier verbliebenen Soldaten mit gezückter Klinge auf ihn zustürmte, kam endlich wieder Leben in seine erstarrten Glieder. Fast blind vor Angst schlug er auf den Angreifer ein. Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis dieser blutend vor ihm auf dem Boden lag. Rai hielt staunend inne. Bereits bei seiner ersten Attacke war die Klinge des Gardisten zerborsten, als wäre sie aus Glas. Die folgenden Schläge hatten fast ausnahmslos schreckliche Wunden bei seinem Gegner gerissen, der sich nur notdürftig mit seinem Schwertstummel verteidigte. Ehrfürchtig starrte Rai einen Augenblick auf die dunkle Waffe in seiner Hand.
    Dann wurde ihm bewusst, dass er nun keine Zeit mehr verlieren durfte. Der unheimliche Fremde hielt die anderen Gardisten in Schach, sodass er Rai unbeabsichtigt die Flucht ermöglichte. Der junge Tileter erreichte mit einigen wenigen Schritten das Loch in der Holztäfelung. Im nächsten Augenblick schlitterte er den Kamin hinunter. Er fühlte nicht, wie seine Hände von der rauen Wand aufgerissen wurden. Ohne dabei das Schwert loszulassen, krallte er sich an dem Mauerdurchbruch fest, der in die Küche mündete. Er zog sich hoch, schlüpfte durch die Öffnung und ließ sich auf den Herd fallen. Fassungslos stand er beinahe Auge in Auge mit dem Küchenjungen Kuckie. Dieser empfand wohl mindestens ebenso viel Angst wie Rai, doch der geübte Dieb hatte sich schneller wieder unter Kontrolle.
    Er brüllte den Küchenjungen an: »Verschwinde, oder ich mache dich einen Kopf kürzer!«
    Mit einem Schrei flüchtete Kuckie aus der Küche. Fluchend verkeilte Rai die Tür mit einem Stuhl. Draußen würde sicherlich bald eine Horde Gardisten auftauchen. Aber er konnte den Palast ja auf dem gleichen Weg verlassen, wie er ihn betreten hatte. Mit Schrecken stellte Rai jedoch fest, dass die Pforte zum Park verschlossen war. Natürlich, er hatte sie ja selbst abgesperrt! Zu allem Überfluss hatte er auch noch seinen Rucksack mit dem Schlüssel in der Schatzkammer vergessen. Nun saß er in der Falle! Er hätte sich ohrfeigen können für diese Nachlässigkeit.
    »Denk nach, Rai!« Verzweifelt versuchte er, die aufsteigende Panik zu bekämpfen. »Es gibt doch noch einen anderen Weg hier raus. Was hat Barat noch mal gesagt?«
    Ein lautes Poltern an der Tür unterbrach jäh seine gehetzten Gedanken.
    »Hier ist die Palastwache, sofort aufmachen, oder wir treten die Tür ein!«
    Fieberhaft versuchte Rai, sich an Barats Fluchtplan zu erinnern. In seinem Kopf schienen alle Gedanken vollkommen durcheinander gewürfelt zu sein. Wie war das noch? Wo war die Öffnung?
    Schließlich gab die stabile Küchentür dem Ansturm der Gardisten mit einem Ächzen nach. Die Palastwachen stürmten in die Küche und durchsuchten jeden Winkel, doch von einem Eindringling fand sich keine Spur.
    »Bringt mir diesen verdammten Küchenjungen«, schrie der Anführer. »Ich werde ihm die Hammelbeine lang ziehen, diesem hysterischen Wicht. Der ganze Palast steht Kopf, und er holt uns wegen eines Hirngespinsts in die Küche.«
    »Aber irgendwer muss doch die Tür von innen verriegelt haben!«, entgegnete einer der Gardisten.
    »Dann hat diesen Jemand wohl der Erdboden verschluckt, wie? Und jetzt bringt mir den dreimal verfluchten Küchenjungen!«
    Der Anführer konnte nicht ahnen, wie nahe er der Wahrheit mit seiner Vermutung gekommen war. Die Palastküche verfügte nämlich über eine Besonderheit, wie Barat Rai erzählt hatte. Nicht nur der Waschzuber der Küche verfügte über einen Abfluss zur Kanalisation von Tilet – eine Einrichtung, die im ganzen Reich einzigartig war –, sondern auch im Boden war ein solcher Ablauf eingelassen. Dies erleichterte die Reinigung des Küchenbodens ungemein, da der meiste Unrat ohne großen Aufwand mit ein wenig Wasser in die Kanalisation gespült werden konnte.

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