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Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm

Titel: Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Rothballer
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Und genau diesen Weg hatte auch Rai genommen.
    Dabei hatte er diese ungewöhnliche Fluchtmöglichkeit durchaus nicht zufällig entdeckt, denn es war nach Barats Plan der Weg, den Rai mit dem geraubten Gold hätte nehmen sollen. Barat hatte Rai unter anderem auch aus diesem Grund für den Raub der Thronschätze ausgewählt, denn nur ein wirklich kleiner und schmächtiger Mensch konnte das glitschige Rohr des Ablaufs als Weg in die Freiheit nutzen.
    Rai fühlte sich momentan allerdings alles andere als erfolgreich. Er lag in einer bestialisch stinkenden Brühe von menschlichem Unrat, um ihn herum nur undurchdringliche Schwärze. Zu allem Überfluss hatte er das Schwert bei seiner Rutschpartie durch das Abwasserrohr verloren. Fluchend begann er, in der widerwärtigen Flüssigkeit nach der Klinge zu fischen, und zu seinem Erstaunen gelang es ihm unerwartet schnell, das glatte Metall des Schwertes zu ertasten. Etwas zu beschwingt richtete er sich auf, sodass er sich den Kopf schmerzhaft an der niedrigen Decke stieß. Mit einem unterdrückten Schrei sank er wieder auf die Knie.
    Alles hatte sich heute gegen ihn verschworen. Er biss sich auf die Unterlippe, während er einen Augenblick überlegte, ob er nun heulen oder sich übergeben sollte.
    ›Du bist ein Versager, Junge, ein Tunichtgut. Und dazu dumm, wie die Welt flach ist.‹ Diese vernichtenden Worte fielen Rai stets dann ein, wenn er sich selbst ohnehin schon leidtat. Gesprochen hatte sie sein ehemaliger Herr, Kaster Tjolmar, Aufseher der Knechte im Hause Scherwingen, der selbst nicht eben gescheit und obendrein noch ziemlich brutal gewesen war. Rai hatte dort vor einigen Jahren als Küchenjunge angefangen, aber das Dienstverhältnis währte nicht lange. Jeremia Scherwingen war Besitzer eines der größten Handelshäuser von Tilet, und es hatte Rai durchaus mit einem gewissen Stolz erfüllt, für solch eine einflussreiche Familie zu arbeiten. Doch das war ein anderes Leben gewesen.
    Vorsichtig betastete er seinen Kopf, wo er zu seiner Erleichterung keine offene Wunde entdeckte, sondern sich nur eine unangenehm schmerzende Beule zu wölben begann. Schließlich beschloss er, mit seinem Selbstmitleid aufzuhören, denn alles in allem betrachtet könnte es jetzt auch wesentlich schlechter für ihn stehen. Das Bild von groben Gardisten, die ihn in einen düsteren Steinbruch schleiften, begann sich vor seinem inneren Auge abzuzeichnen. Er schüttelte energisch den Kopf und machte sich entschlossen daran, einen Weg aus diesem fauligen Labyrinth zu finden. In der völligen Finsternis war eine Orientierung praktisch unmöglich. Rai konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, ein gigantisches Wesen habe ihn verschluckt, dessen übel riechender Magensaft nun unter ihm dahinpulsierte. So weit hergeholt war diese Vorstellung auch nicht, dachte er bei sich, denn schließlich befand er sich sozusagen tatsächlich in den Gedärmen Tilets.
    Nachdem er eine Weile gezögert hatte, steckte er seine Hand erneut in die zäh dahinfließende Brühe zu seinen Füßen, um die Strömungsrichtung festzustellen. Er hoffte, damit herauszufinden, in welcher Richtung das Meer, also der Ausgang der Kanalisation lag. Schließlich entschied er sich für eine Richtung und tappte unsicher los, wobei er mit der Rechten das schwarze Schwert fest umklammert hielt. Es war schließlich das Einzige, was er erbeutet hatte. Wenn alles gut ging, würde Barat an der Küste, wo die Kanalisation ihr unangenehmes Inneres ins Meer entleerte, mit einem Boot warten oder ihm bereits zu Fuß entgegenkommen. Sein Komplize würde nicht erfreut sein über den Lohn für ihre Mühen, denn ein altes Schwert war sicherlich nicht das, was er sich erhofft hatte. Doch Rai war im Moment so froh darüber, noch frei und am Leben zu sein, dass er Barats Enttäuschung gern in Kauf nehmen wollte. Allerdings musste er damit rechnen, dass Barat ihn einfach in der Kanalisation zurückließ, wenn er die erhoffte Beute nicht erhielt. Rai hatte keine Ahnung, was er dann anfangen sollte, denn die Planung ihrer Flucht hatte er ganz und gar seinem älteren Komplizen überlassen. Er konnte nur darauf bauen, dass Barat in Anbetracht der Umstände nachsichtig war.

 
DER RAT VON SEEWAITH
     
    V iele Hundert Meilen nordwärts auf der Halbinsel Fendland kündigte der erste milde Frühlingstag endlich den Rückzug des Winters an. Die versöhnlichen Strahlen der Sonne hatten die Bewohner der Hafenstadt Seewaith im Nordwesten der Halbinsel frühzeitig

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