Vermächtnis der Schwerter Tausendsturm
Kaloqueron selbst weiß, warum er uns am Leben ließ und den Weg zu dieser versteckten Bucht zeigte.« In gespielter Ehrfurcht hatte Barat dabei die Hände gen Himmel erhoben.
Der Anführer der kleinen Schar kratzte sich ausgiebig am Stumpf seines abgetrennten Arms, dann blickte er zu seinen Leuten zurück und meinte: »Dieser wandelnde Lumpenhaufen schnattert wie ein altes Marktweib, und bei all den vielen Worten weiß ich gar nicht, ob er sich nicht über mich lustig macht!«
Barat öffnete bereits den Mund, um zu widersprechen, da krachte die Faust des Einarmigen in sein Gesicht, dass er der Länge nach hinschlug und für einige Augenblicke das Bewusstsein verlor.
»Das nur für den Fall, dass du dich über mich lustig gemacht hast«, sagte der Einarmige unter dem höhnischen Gelächter seiner Männer.
Rai war so erschüttert, dass er seinem Freund nicht gleich zu Hilfe eilte, sondern den Blick unverwandt auf den Angreifer gerichtet ließ.
»Hört jetzt auf mit diesen Torheiten«, ließ sich unerwartet der Schwarzgekleidete vernehmen und unterband damit schlagartig jeden weiteren Ausbruch von Heiterkeit. Seine Stimme wirkte befehlsgewohnt und unduldsam. »Bindet sie, und nehmt sie mit, wir können uns damit nicht ewig aufhalten. Noch haben wir keinen einzigen Fang gemacht! Und denkt daran, wenn das segenbringende Licht unseres Herrn den Talgrund erreicht, müssen wir diesen Ort verlassen haben.«
»Ja, Erhabener«, antwortete der einarmige Anführer knapp und veranlasste sogleich das Geforderte.
So fanden sich Rai und der angeschlagene Barat ein weiteres Mal in Fesseln, die sie der Kontrolle über ihr eigenes Schicksal beraubten. Sie humpelten hinter den Jägern durch das unwegsame Unterholz, stets bemüht, ihre müden Füße vor den aus dem Boden ragenden Wurzeln zu bewahren oder sich unter zurückschnellenden Ästen zu ducken, die sie mit ihren auf dem Rücken zusammengebundenen Händen nicht abwehren konnten. Rai machte sich ernsthafte Sorgen um seinen Kameraden, der nicht nur wegen der Bisswunde am Fuß übel hinkte, sondern dessen bleiches Gesicht einen erschreckenden Kontrast zu dem Blut bildete, das ihm aus Mund und Nase sickerte. Doch der Veteran biss die Zähne zusammen und versuchte, niemandem seine momentane Schwäche zu offenbaren. Bis auf Rai schien auch keiner Notiz von den blutenden Wunden des Gefangenen zu nehmen.
Die Gruppe bewegte sich so rasch wie möglich durch den Wald, wobei ihr Führer immer wieder kurz verharrte, um in das vor ihm liegende Dickicht zu horchen. Was er zu hören suchte, wurde deutlich, als bei seinem nächsten Halt in der Feme Gebell zu vernehmen war. Die drei aufgeregt neben ihrem Herrn herlaufenden Hunde stießen bei diesem Geräusch ein unterdrücktes Winseln aus, worauf sie der Einarmige mit einem Wink laufen ließ. Innerhalb von einem Wimpernschlag waren sie zwischen den Bäumen verschwunden, zogen jedoch durch ihr Bellen eine geräuschvolle Spur hinter sich her, der sogar Rai hätte folgen können. Wenig später erreichten sie eine dicht stehende Gruppe von schmalen Fichten, zwischen deren Stämmen ein schier undurchdringliches Brombeergestrüpp wucherte. Am Rande dieser dornenbewehrten Barriere hatten sich fünf kläffende Hunde versammelt, die ihrer Beute offensichtlich nur ungern bis ins Innere des Gestrüpps folgen wollten. Trotz ihres ledernen Schutzpanzers wagten sie es anscheinend nicht, ihre empfindlichen Nasen den schmerzhaften Stichen der Hecke auszusetzen.
»Nun, nun, das sieht mir doch ganz nach einem ordentlichen Fang aus!«, lobte der Einarmige seine Hunde und belohnte sie auch sogleich mit einigen Brocken Fleisch. Danach wandte er sich an seine Männer: »Macht euch bereit! Man kann nie wissen bei diesen runzligen Gnomen.«
Die Jäger nahmen ihre Kurzbogen von der Schulter und legten jeder einen Pfeil auf die Sehne. Gleichzeitig trat der Robenträger vor und begann einen merkwürdigen Singsang, als wolle er ein Gebet anstimmen. Seine Augen verdrehten sich, bis nur noch das Weiß des Augapfels zu sehen war, während die Bogenschützen angespannt in das Dickicht starrten. Um Barat und Rai kümmerte sich im Augenblick niemand mehr. Wären sie nicht so erschöpft und zudem verletzt gewesen, hätten sie ohne Weiteres diese Unaufmerksamkeit ihrer Bewacher zur Flucht nutzen können. Aber in ihrem Zustand hätten sie die Bluthunde längst wieder eingeholt, bevor sie auch nur in Sichtweite der Bucht gewesen wären. Außerdem waren die beiden selbst
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