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Vermächtnis des Pharao

Vermächtnis des Pharao

Titel: Vermächtnis des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anton Gill
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geschehen, in der Jahreszeit des Hervorkommens, als das Hochwasser des Flusses zurückgegangen war und auf den Feldern dick den schwarzen Lehm hinterlassen hatte, der dem Land seinen Namen gab. Das hätte aber auch die Arbeitskraft jedes Einzelnen erfordert, um die Bewässerungskanäle zu reinigen und die Felder zu bestellen, damit die Erde aus dem Wasser wiedergeboren werden konnte. Siebzig Tage würden die Einbalsamierer für ihre Arbeit brauchen, aber das Grab des Pharao war noch nicht annähernd fertig. Viele Leute, die jetzt dringend auf dem Land gebraucht wurden, wurden jetzt statt dessen zwangsverpflichtet zur Arbeit in den Steinbrüchen und bei den Grabungen. Sie mußten Kalkstein aus den Felswänden schlagen und hinausschleppen, um der Behausung des Toten wenigstens einen Anschein von Ordnung zu verleihen. Die Toten waren meist nicht rachsüchtig, aber den Zorn eines Königs jenseits des Grabes galt es doch zu vermeiden.
    Während Huy zusah, wie komplizierte Rituale und Vorbereitungen stattfanden, fragte er sich, ob nicht doch eher die Lebenden zu fürchten seien. Schon hatte er mitangesehen, wie etliche seiner älteren Kollegen - große Schreiber am Ende des dritten und vierten Lebensjahr-zehnts - auf Missionen nach Nubien und in die Goldminen der Wüsten im Osten entsandt worden waren. Solche Aufträge waren weit unter ihrer Würde, aber schon vor dem Tod des alten Königs war klar geworden, daß ihre Stellung nicht mehr so sicher war wie zu der Zeit, da der Ruhm des Aton auf seinem Gipfelpunkt stand. Unter Semenchkare war die Macht mehr und mehr auf den General und auf Ay übergegangen. Auch diese beiden waren einmal loyale Anhänger Echnatons gewesen. Vielleicht hatten die beiden als erste erkannt, daß die Zukunft eben doch nicht bei diesem Pharao lag.
    Keiner dieser älteren Schreiber war von seiner Mission zurückgekehrt. Huy, der mit neunundzwanzig eben eine langwährende und mühselige Lehrzeit beendet hatte, fragte sich allmählich, ob die investierte Zeit sich lohnen würde. Als er über den festgestampften Lehmboden der engen Straße stapfte, die zu seinem Haus führte, dachte er mit Bedauern an seine geringen Erfolge. Sein Haus zum Beispiel. Es stand in einer unregelmäßigen Reihe identischer Behausungen für niedere Beamte - jede aus Lehmziegeln erbaut, mit einem kleinen Hof, einem Zimmer im Erdgeschoß und einem oben. Seit seiner Scheidung vor drei Jahren wohnte er dort. Er merkte immer noch, daß er Aahmes vermißte, und die Kinder noch mehr. Sie waren längst ins Delta zurückgekehrt, und er sah sie nicht mehr; allerdings konnte er durch Freunde bei den amtlichen Kurieren zumindest unregelmäßig brieflichen Kontakt halten.
    Seine Laufbahn hatte von vornherein festgestanden; er war in die Fußstapfen seines Vaters Heby getreten, eines Chefschreibers am Hofe Amenophis III. in der Südlichen Hauptstadt. Seit seinem neunten Lebensjahr kannte Huy kaum etwas anderes als das Studium; er hatte die Drei Schriften gelernt, aber auch - von Prügeln unterbrochen (»Ein Knabe hat die Ohren auf dem Rücken«) - die anderen für eine Beamtenlaufbahn erforderlichen Fächer: Arithmetik, Zeichnen, Buchführung, Geometrie, Vermessungskunde und sogar die Grundlagen des Ingenieurwesens. Es war ein weiter Weg gewesen. Jetzt hoffte er, daß nicht alles umsonst gewesen war. Die Warnungen seines vorsichtigen Vaters - Heby hatte bis zu seinem Tode jede Parteinahme vermieden - hatte er in den Wind geschlagen und sich auf Echnatons Seite gestellt. Ohne sich zu besinnen, war er in die Stadt des Horizonts gekommen, durchdrungen von jener Art von Pioniergeist, die Echnaton so gern um sich sah. Jetzt kam ihm der Staub der vernachlässigten, trockenen Straße vor wie der Staub jenes Geistes.
    Die Hitze verstopfte die Straße wie gefaltetes Leinen. Ihre erstickende Allgegenwärtigkeit erfüllte Huy manchmal mit Sehnsucht nach dem Land im Norden, wo der gesegnete Wind herkam. Die Kuriere, die dort gewesen waren, erzählten ihm von der unbeschreiblichen, grünen Ebene des Meeres, das Huy noch nie gesehen hatte und sich nicht vorstellen konnte. Auf der Flucht vor der Bedrückung, die der Gedanke an seine unmittelbare Zukunft in ihm erweckte, verfiel er in einen Tagtraum, in dem er sich mit Aahmes vertrug und Kapitän auf einem der großen Byblos-Schiffe wurde, die entlang der Küste Handel trieben und bis zur Nördlichen Hauptstadt herunterkamen, wo ihre Fracht zum Transport flußaufwärts auf kraftvolle Barken umgeladen

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