Vermählung um Mitternacht
Kennybrook, der eben aus dem Raum geschlendert kam. Er blieb stehen, als er ihren Aufzug sah. »Liebe Güte! Was ist denn passiert?«Julia starrte ihn nur an. »Was ... warum sind Sie hier, Sir?«
»Ist doch egal! Sie haben einen Schnitt an der Wange, und Ihr Kleid ist zerrissen!« Unter schweren Brauen warf er Alec einen strengen Blick zu. »Verdammt, Hunterston! Sie sollten wirklich besser auf sie aufpassen.« Er wandte den Kopf und rief: »Burton! Kommen Sie her und schauen Sie, wer da ist! Sie sieht fürchterlich aus, aber anscheinend geht es ihr gut.«
Lord Burton trottete heran. »Na, so ein Glück! Würde Hunterston nicht gern in diese Löwengrube zurückzerren, bloß um ihm eine Lektion zu erteilen.« Mit einem Zwinkern beugte er sich über Julias erschlaffte Hand. »Bestimmt sind Sie überrascht, uns hier zu treffen, was?«
Sie nickte und versuchte, sich auf alles einen Reim zu machen. »Warum sind Sie denn hier?« Ihr kam ein Gedanke. »Haben Sie vielleicht vor den Testamentsvollstreckern für uns ausgesagt?«
»Ausgesagt?« Lord Kennybrook blies die Backen auf. »Lord Burton und ich gehören zu den Testamentsvollstreckern, meine Liebe.« Julia wandte sich an Alec. »Du erwähntest doch, sie seien lauter...«
»Kluge, wohlmeinende Gentlemen«, vollendete Alec geschickt den Satz.
Lord Kennybrook schnaubte. »Ich möchte wetten, Sie haben uns anders bezeichnet, junger Mann. Das verüble ich Ihnen jedoch nicht, auch wenn ich es eigentlich gar nicht so genau wissen möchte.« Julia schüttelte den Kopf und fragte sich, ob sie richtig verstanden hatte. »Wie kommt es denn, dass Sie zu Testamentsvollstreckern ernannt wurden?«
Lord Kennybrook wedelte mit der Hand. »Ach, Burton und ich kannten Alecs Großvater aus Cambridge.«
Lord Burton lachte. »Damals waren wir rechte Hallodris. Haben alles Mögliche angestellt.« Er wackelte mit den Brauen. »Vielleicht sogar ein paar unmögliche Sachen.«
»Himmel, ja«, stimmte Lord Kennybrook mit einem sehnsüchtigen Seufzen zu. »Aber dann hat John geheiratet, und wir haben ihn immer seltener gesehen.«
»Bis er sich der Vereinigung angeschlossen hat«, erklärte Lord Burton.
Lord Kennybrook zog eine Zigarre aus einem Etui hervor. »Sie haben ihn ja leider nie kennen gelernt, meine Liebe. Aber John war der anonyme Wohltäter, dessen Unterstützung wir verloren hatten, gerade als Sie zu uns gestoßen sind. Er war wirklich sehr großzügig.« Burton machte ein trauriges Gesicht. »Diese Organisation hat ihm immer besonders am Herzen gelegen.«
Alec schüttelte den Kopf, und Julia bemerkte die tiefen Linien um seinen Mund. »Du solltest stolz auf ihn sein«, sagte sie leise.
Er lächelte nur bitter. »Er hat mir nie davon erzählt.«
»Warum sollte er auch?« fragte Lord Kennybrook. »Er war schließlich kein Mensch, der mit seiner Mildtätigkeit hausieren ging. Sie haben nur Glück, dass er auf die Idee kam, Burton und mich zu Testamentsvollstreckern zu ernennen.« Er schaute sich um, um festzustellen, ob sie auch allein waren, und flüsterte: »Die anderen sind nämlich die größten Langweiler, die mir je untergekommen sind.«
»Himmel, ja«, stimmte Burton zu. »Wir hatten wirklich höllisch zu tun, um sie davon abzuhalten, Hunterston zu enterben und hochkant rauszuwerfen.«
Lord Kennybrook steckte sich die unangezündete Zigarre zwischen die Zähne. »Es war knapp, aber wir haben es geschafft. Es war ein richtiger Geniestreich von Wexford, Lady Birlington und die Dowager Duchess of Roth hierher zu bringen, damit sie Ihre Unschuld bezeugen.«
»Lucien war hier?« erkundigte sich Alec verblüfft.
Lord Burton faltete die Hände über der Weste. »Er hat an der Treppe gewartet, als wir hier ankamen. Marie hat auch geholfen.« Julia blinzelte. »Wirklich?«
Lord Burton strahlte über das ganze Gesicht. »Marie ist vielleicht nicht so vornehm, wie mancher sich wünschen würde, aber sie hat das Herz auf dem rechten Fleck. Sobald sie gemerkt hat, dass es um Sie beide ziemlich schlimm steht, ist sie losgezogen und hat Therese hierher geschleppt - hat das alberne Mädel förmlich hierher gezerrt.«
Lord Kennybrook verzog das Gesicht. »Dann bekamen wir natürlich ein ganz jämmerliches Gejaule zu hören. Sie heulte und kreischte, dass Bridgeton ihr die Ehe versprochen habe, wenn sie ihm helfe, Sie um das Vermögen zu bringen. Als sie dann erzählte, wie sie Bentham dazu überredet hat, das Bild zu malen, hätte ich beinah nicht mehr an mich halten
Weitere Kostenlose Bücher