Verräterische Gefühle

nur der eine. Ich dachte, den würde ich bereits in London im Theater bekommen.“
    „Als ich dich in der ersten Reihe sitzen sah, konnte ich es einfach nicht fassen!“
    „Wie gesagt, ich war zu feige, um dich vorzuwarnen.“
    „Sieht aus, als läge das in der Familie.“
    „Ich habe euch im Stich gelassen“, Jacobs Stimme schwankte, „dabei wart ihr alle noch Kinder. Da kann ich es dir nicht verdenken, wenn du mich hasst.“
    „Ich hasse dich nicht.“ Das kam spontan und fühlte sich völlig natürlich an. „Du warst ja selbst kaum mehr als ein Kind.“
    Katie hatte das gesagt, und plötzlich wusste Nathaniel, dass sie recht hatte. Zum ersten Mal dachte er darüber nach, wie es damals für Jacob gewesen sein musste. Mit gerade mal achtzehn fühlte er sich verantwortlich für den Tod seines Vaters, und als einziger Halt blieben ihm nur seine jüngeren Geschwister. Eine wilde Horde, geschädigt durch ihre traumatische Kindheit.
    „Ich war selbstsüchtig und dachte nur an uns, die wir zurückgeblieben sind, das weiß ich jetzt.“ Als Jacob seine Hand von Nathaniels Schulter nahm, ergriff dieser sie und drückte sie ganz fest, während er seinem Bruder in die Augen sah. „Du hast dir nichts vorzuwerfen. Nicht mehr als wir alle.“
    Jacob nickte, räusperte sich umständlich und wandte den Blick in Richtung des heruntergekommenen Herrensitzes. „Weißt du, dass ich eine gerichtliche Verfügung erhalten habe, die besagt, dass Wolfe Manor baulich gesichert werden muss. Es gab offenbar eine Reihe Einbrüche in letzter Zeit, vor allem von Jugendlichen, die es als Mutprobe betrachten, in den alten Kasten einzusteigen. Nur weiß niemand, wo man anfangen soll. Das Dach leckt, die Fassade bröckelt, die Fenster müssten erneuert werden.“
    „Tja, als wir gegangen sind, hat man einfach die Türen hinter uns zugenagelt“, erinnerte sich Nathaniel.
    „Wer ist damals eigentlich für mich eingesprungen?“, wollte Jacob wissen.
    „Lucas … ausgerechnet! Natürlich hat er sich nicht darum gerissen, es hat sich einfach ergeben.“ Nathaniel lachte. „Seine Vorstellung von der Vaterrolle bestand darin, uns alles einzupauken, was mit Sex zu tun hatte, und uns zu zeigen, wie man Disziplin vermeidet und selbst betrunken noch auf einem Strich entlangmarschieren kann. Und …“, ergänzte er mit einem Blick auf Jacobs geschwollenes Kinn, „wie man kämpft.“
    „Zumindest in dem Punkt hat er seinen Job nicht schlecht gemacht, obwohl Lucas bestimmt kein leuchtendes Beispiel war. Er hat mit der Hälfte aller Mädchen in seiner Klasse geschlafen!“
    „Und mit einigen der jüngeren Lehrerinnen.“
    „Siehst du die anderen öfter?“, fragte Jacob abrupt.
    „Hin und wieder … aber nicht alle.“
    „Und niemand von euch war seitdem hier?“
    „Tja, nenn mich kleinlich, aber dieser Platz hat einfach keine Partyatmosphäre.“
    „Er steckt voller Erinnerungen.“
    „Und die meisten von ihnen sind schlecht.“
    Jacob lächelte schwach. „Vielleicht ist es an der Zeit, Wolfe Manor mit neuem Leben anzufüllen. Etwas Licht ins Haus zu lassen …“
    „Wie ich gehört habe, bist du dafür genau der richtige Mann. Rafael schwört Stein und Bein, keinen besseren Architekten zu kennen. Gratulation, Bruder.“
    „Das wäre mein Part gewesen“, protestierte Jacob. „Ich habe dir noch gar nicht zum Sapphire gratuliert. Du warst wirklich unglaublich in Alpha Man . Und auszahlen tut es sich offensichtlich auch für dich. Zwanzig Millionen … was machst du mit dem ganzen Geld?“
    Fast hätte Nathaniel seinem Bruder gestanden, dass sich für ihn alles völlig bedeutungslos anfühlte … seit Katie gegangen war. Doch dann flüchtete er sich lieber in Sarkasmus. „Ich gebe es Jack, und der verdoppelt es.“
    „Ja, er scheint wirklich ein besonderes Talent für Investment-Geschäfte zu haben.“
    „Unbedingt“, bestätigte Nathaniel. „Wenn du dir die gesamte Wolfe-Brut anschaust, hat dein Weggehen vielleicht sogar etwas Gutes gehabt. Jeder von uns musste zusehen, so schnell und gut wie möglich auf eigene Beine zu kommen. Weißt du eigentlich, dass Alex der jüngste Rennfahrer aller Zeiten ist, der den englischen Grand Prix in Silverstone gewonnen hat?“
    „Ich habe mir das Rennen sogar in einem von Sebastians Hotels angeschaut. Soweit ich mich erinnere, war es das Singapur Grande Wolfe . Und ich hatte auch schon mehrfach Gelegenheit, Annabelles Talent zu bewundern, was ihre Fotoausstellungen betrifft. Leider bisher nur