Verräterische Gefühle
Ihre Knie wurden ganz weich.
„Hi, ich weiß, warum du hier bist“, begrüßte sie ihn lächelnd. Auch das hatte sie in der kurzen Zeit ihres Zusammenseins gelernt – zu schauspielern! „Du willst sicher dein Eigentum zurückhaben.“
„Das ist richtig.“ Seine Stimme war fest und sehr selbstsicher. Mit einem forschenden Blick musterte er Katies schmale Gestalt und schaute dann über ihre Schulter ins Apartment. „Hi, Claire.“
„Sie … Sie kennen meinen Namen?“
Inzwischen hatte Katie das Diamantcollier abgenommen und hielt es Nathaniel entgegen. „Hier.“
„Was soll ich damit?“
„Deswegen bist du doch gekommen“, erinnerte sie ihn steif, „um dein Eigentum einzufordern.“
„Völlig korrekt, aber die Kette interessiert mich kein bisschen. Ich will dich.“
Hinter sich hörte Katie einen erstickten Laut, den sie ignorierte, weil sie zu sehr in ihren eigenen konfusen Emotionen gefangen war. Was er sagte und wie er es sagte, hörte sich aufrichtig an. Aber Nathaniel Wolfe hatte ja auch nicht ohne Grund gerade erst den begehrten Sapphire Award abgeräumt, oder?
„Nimm das Collier und geh“, murmelte sie spröde. „Ich glaube nicht, dass es zwischen uns noch etwas zu sagen gibt.“
„Du hast jeden Grund, sauer auf mich zu sein“, räumte Nathaniel gut gelaunt ein und marschierte an ihr vorbei. „Und du warst es, die mir beigebracht hat, dass man Probleme am besten durch Reden aus der Welt schafft. Also, lass uns reden.“
Wie in Trance folgte Katie ihm und starrte die Liebe ihres Lebens mit offenem Mund an.
„Schieß los“, forderte Nathaniel. „Sag einfach, was dir in den Kopf kommt.“
„Ich … ich glaube, ich mache mal einen langen Spaziergang“, murmelte Claire, die sich offenbar vom ersten Schock erholt hatte und jetzt hastig die Bühne räumte.
Katie schwieg noch immer.
Nathaniel seufzte. „Okay, wie es aussieht, muss ich also den Anfang machen. Ich war auf Wolfe Manor. Dort habe ich Jacob getroffen.“
Noch immer sagte Katie nichts. Ihre Knie zitterten, und ihr Herz klopfte bis zum Hals.
„Und ich war am See. Dass mein Vater mich ertränken wollte, habe ich dir bereits erzählt, aber nicht, dass meine Mutter das Gleiche versucht hat, als ich noch ein Säugling war. Sie war emotional schon immer instabil, aber die Nachricht, dass eine andere Frau zur gleichen Zeit wie sie ein Kind meines Vaters zur Welt gebracht hat …“ Er brach ab, ging zum Fenster hinüber und griff mechanisch nach einem Hochglanzmagazin, das oben auf einem Zeitschriftenstapel lag. „Sie war überzeugt, uns nur auf diese Weise vor dem Monster schützen zu können, das sie geheiratet hatte. Sind das etwa die Fotos, die du von mir gesammelt hast?“, fragte er übergangslos und hielt die Illustrierte hoch. „Willst du mich etwa aus deinem Leben eliminieren?“
„Wer hat dich in dieser Nacht gerettet?“, fragte Katie mit schwankender Stimme, ohne auf seine letzte Frage einzugehen.
„Jacob und Lucas waren während der Internatsferien auf Wolfe Manor und campten in der Nähe des Sees. Sie haben meine Mutter und mich aus dem Wasser gezogen. Übrigens sehr zum Ärger meines Vaters. Er verprügelte die beiden, weil sie sein verrücktes Weib samt des unerwünschten Balgs gerettet hatten.“
Nathaniel legte die Zeitschrift zurück und wandte sich Katie zu.
„Kurioserweise war die einzige Zeit, in der mein Vater sich Carrie gegenüber menschlich verhalten hat, ihre Schwangerschaft mit meinem Bruder Sebastian. Darum erlag sie dem verzeihlichen Irrtum, ihn mit einem weiteren Baby milde stimmen zu können. Böser Fehler …“
Katie schlang die Arme um ihren Oberkörper, als wäre ihr kalt. Doch das eisige Gefühl saß tief in ihrem Innern. „Hat sie dich erkannt, als du ihr den Sapphire überlassen hast?“
„Ich hoffe es, aber sicher kann ich mir da nie sein.“
„Wie geht es ihr momentan?“
„Sie ist stabil, natürlich nur dank einer Reihe von Medikamenten. Aber sie ist glücklich in ihrer eigenen kleinen Welt.“
„Ich weiß wirklich nicht, wie du das Ganze überlebt hast.“
„Indem ich immer wieder in andere Rollen geschlüpft bin“, erklärte er schlicht. „Und das behielt ich bei, bis … ja, bis ich dich traf, Katie. Du warst die erste Frau, die sich nicht für den Filmstar, sondern für mich als Mann interessierte. Dieses Projekt mit den Kindern in Rio … ich habe es finanziell unterstützt und wollte damit vielleicht mein Schuldgefühl gegenüber Annabelle betäuben.
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