Verräterisches Profil
Sebastian zum vorletzten Geburtstag geschenkt hatte. Sie hasste es, zur Untätigkeit verdammt zu sein. Ihre Gedanken wanderten zu den Polizisten, die Hill kaltblütig erschossen hatte. Einer von ihnen ein junger Ehemann und werdender Vater. Vermutlich hatte die Ehefrau inzwischen die Nachricht von seinem Tod erhalten und war ohne Vorwarnung aus der bisherigen Lebensbahn geschleudert worden.
Sie dachte an ihren eigenen Mann. Fürchtete sich Sebastian davor, plötzlich mit Ana allein dazustehen, wenn sie im Dienst getötet werden würde? Bestimmt, wie alle Lebenspartner von Polizisten. Allerdings war er viel zu stolz, um diese Angst laut auszusprechen.
Beate lächelte unwillkürlich. Ihr Mann hatte liebenswerte Eigenschaften an sich, die er geheim zu halten versuchte, weil er gern als stark, cool und perfekt angesehen werden wollte. Doch jeder, der ihn näher kannte, konnte mit Leichtigkeit hinter diese Fassade blicken.
Sie hatte in den letzten Tagen intensiv über ihre Gefühle für Sebastian nachgedacht. Sie liebte ihn noch immer von ganzem Herzen. Er war der richtige Partner an ihrer Seite, der richtige Vater für ihr Kind. Umso weniger konnte sie diese überflüssigen Reibereien der vergangenen Monate verstehen. Genauso wenig wie ihren Ausrutscher mit Daniel. Beides war jedoch geschehen und sollte für ihre Zukunft keine Rolle spielen. Der innere Druck, ihrem Ehemann den Seitensprung zu beichten, wurde täglich geringer. Sebastian würde dafür kein Verständnis haben, und möglicherweise machte sie dadurch alles zwischen ihnen kaputt. Insofern hatte sie beschlossen, lieber zu schweigen und ihre Energie darauf zu verwenden, die harmlosen Schwierigkeiten beiseite zu räumen. Dabei konnte die Aufklärung der Familienmorde hilfreich sein.
Sie sah erneut auf die Uhr. Nicht einmal fünf Minuten waren verstrichen. Ihr wurde bewusst, dass sie nicht unbedingt im Präsidium anwesend sein musste, solange sie erreichbar war. Wahrscheinlich würden sich Ana und Sebastian freuen, wenn sie unerwartet früh nach Hause käme.
***
Trotz eines hochwertigen Schlosses war es kein größeres Problem, in das Haus einzudringen. Ich muss der Kommissarin neidvoll zugestehen, dass sie sich mit ihrer Familie ein schönes Nest gebaut hat. Umso schmerzhafter wird die Erkenntnis für sie werden, dass ihre Liebsten tot beziehungsweise todgeweiht sind und auf sie selbst vor dem Ende nur noch entsetzliche Qualen warten.
Ein letzter Abend mit ihrer Familie, vielleicht ein letztes Zu-Bett-Bringen der Tochter, ein letztes Einschlafen. Sobald sie in der Nacht erwacht, ist ihr Mann tot – und sie wehrlos.
In allen Einzelheiten wird sie vor Augen haben, was mit den anderen Frauen passiert ist. Aber bei ihr werde ich mir richtig Zeit lassen, sie brutaler quälen, ihr größeres Leid zufügen. Sie wird für das Durchkreuzen meiner Pläne bezahlen.
Im Wohnzimmer entdecke ich auf einem Regal über dem Fernseher eine DVD-Sammlung. Automatisch denke ich an meinen Stiefvater, diesen alkoholsüchtigen Bastard. Der in mein Leben trat, als ich neun war, nachdem mein leiblicher Vater fünf Jahre zuvor meine Mutter verlassen hatte. Was ich im Nachhinein allzu gut verstehe.
Er besaß eine Videosammlung mit ganz besonderen Filmen. Harte Action- und Kriegsfilme. Dazu einige Pornos. Mit vierzehn erwischte er mich beim Wichsen, während ich einen Porno schaute. Gerade als zwei Männer einer Frau aufs Gesicht spritzten, kam er ins Wohnzimmer. Kurz darauf erteilte er mir eine schmerzhafte Lektion. Nicht die einzige in den Jahren, jedoch die, die am meisten wehtat.
Ich spiele mit dem Gedanken, mir die DVDs näher anzusehen, doch da ich nicht weiß, wann ein Familienmitglied nach Hause kommen wird, entscheide ich mich dagegen. Stattdessen suche ich Fotoalben, die ich rasch finde. Zum ersten Mal betrachte ich ihren Ehemann. Kümmert er sich wohl ums Kind oder macht er ebenfalls Karriere, sodass sie ihre Tochter tagsüber abgeben müssen?
Nachdem ich mir die Hochzeitsfotos angeguckt habe, stelle ich das Album zurück. Die Ungewissheit treibt mich an. Ich benötige einen Unterschlupf, in dem ich bis zum Einbruch der Nacht wie eine Spinne in ihrem Netz warten kann. Jederzeit könnte jemand nach Hause kommen und meinen Plan vereiteln. Aber das darf nicht passieren. Zu erregend ist mein Vorhaben, sie mehrere Stunden in meiner Gewalt zu haben.
Im Keller werde ich fündig. In einem als Vorratskammer genutzten Raum befindet sich in der linken Ecke ein kleiner
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