Verrat im Höllental
offenbar, um jemanden zu verabschieden.
„Also dann, Ottmar!“ sagte eine Frau.
„Ja, bis später!“ heiserte er. „Heute
nachmittag passiert’s. Gnaski hat alles ausbaldowert. Da kann nichts mehr
schiefgehen, und dann rollt die Kohle an. Tschüs, Mädels! Ich mach mich vom
Acker, ihr Süßen!“
„Komm gut aufs Gehöft!“ rief Nicole.
Mit einer Handbewegung wischte Tarzan
seine Freunde samt Oskar die drei Steinstufen hinunter, in den handtuchbreiten
Vorgarten zurück, möglichst dicht zur Straße. Gerade noch rechtzeitig, bevor
die Tür geöffnet wurde. Denn was man dort redete, war nicht für fremde Ohren
bestimmt.
Sogar Klößchen hatte rechtzeitig
geschaltet. Und machte ein Ich-weiß-von-nichts-Gesicht.
Ein großer, knochiger Typ trat aus dem
Haus. Sein kantiges Faltengesicht spiegelte ein unfrohes Leben und Erfahrungen,
auf die er sicher gern verzichtet hätte. Aber der Raubvogelblick glitzerte.
Vielleicht hatten die beiden Teplers, die Mädels, die Süßen, ihn angemacht.
Eine der Süßen stand hinter ihm — und
war für die TKKG-Freunde sofort als Nicoles Mutter zu erkennen.
Ottmars Blick streifte die Kinder nur.
Dann küßte er Magda die Fingerspitzen und trollte sich straßenwärts, wobei er
Oskar fast auf die Vorderpfote getreten wäre.
„Heh!“ begehrte Gaby auf, die ihren
Liebling in letzter Sekunde zurückzog. „Treten Sie meinen Hund nicht!“
Aber Ottmar überhörte das und stiefelte
weiter zu seinem Wagen.
„Wollt ihr zu mir?“ fragte Magda.
„Sie sind sicherlich Frau Tepler“, nahm
Tarzan das Wort. „Wir wollen zu Ihrer Tochter Nicole. Dr. Knoth meinte, sie
wäre hier. Wir sind... also, Ihre Tochter kennt uns.“
„Ach, ihr?“ tönte Nicoles Stimme aus
dem Hintergrund. „Kommt rein!“
Das war’s, was die vier wollten,
obschon Nicole nicht vor Begeisterung über sprudelte. Sie lächelte etwas
säuerlich, was keiner Erklärung bedurfte. Sie gab keinem die Hand. Den
Vierbeiner bemerkte sie erst, als er ihre Waden beschnupperte. Schön fand sie
das nicht. Sie streckte auch keine Hand aus zum Streicheln. Vielleicht hielt
sie ihn für tollwut-verdächtig oder fürchtete sich vor Hundeflöhen.
Tarzan wußte, was sich gehörte, und
machte sich und seine Freunde Frau Tepler bekannt.
„Wir haben ein Anliegen“, erklärte er
dann. „Das heißt, Willi hat’s. Er ist begeistert von Ihnen als Künstlerin,
Fräulein Nicole.“
Das entsprach sogar der Wahrheit, denn
vor ihren künstlerischen Fähigkeiten konnte man nur den Hut ziehen. „Er möchte
bei Ihnen Malunterricht nehmen.“
„Was? Malunterricht?“
„Malunterricht“, bestätigte Klößchen. „In
der Manier Cranachs. Oder so.“
„Du meine Güte! Genügt es euch nicht,
daß ihr mir ein Bein gestellt habt. Soll ich eurem Mops auch noch zeigen, wie
man Leinwand beschmiert. Tut mir leid. Ich unterrichte niemanden. Vielleicht
erbarmt sich mein Nachbar, wenn sein Gipsarm geheilt ist.“
„Oh!“ sagte Gaby. „Sie lassen aber
heute ihren Verdruß raushängen, daß man fast drauf tritt. Sie sollten sich
geehrt fühlen. Stattdessen beleidigen Sie unseren Willi — nur weil er nicht
über Ihre Wespentaille verfügt. Himmel, wie mich das grämt! Mir fällt ja das
ganze Blut in die Füße. Bin ich bleich, Tarzan?“
Der begutachtete ihren Aprikosen-Teint
und nickte heftig. „Totenbleich! Siehst aus wie... Übelkeit und umgerührt.“
Gaby funkelte ihn an. Daß er auf ihr
Spiel einging — gut! Aber so auf die Düse zu drücken, brauchte er nun auch
wieder nicht.
„Ja, schrecklich!“ Sie schlug die Hände
vors Gesicht, begann dann wie wild in den Winzig-Taschen ihrer Jeans zu
stochern. „O Gott! Wo habe ich denn mein Make-up-Döschen nur, damit ich mich
wieder mit Frische versorgen kann.“
Die beiden Teplers glotzten. Daß sich
ein Frische-strotzender Teenager wie Gaby schon anmalte, ging ihnen nicht in
den Geist.
Aber Gabys Schau lief noch weiter.
„Mit Ihnen bin ich böse, Nicole“,
jammerte sie. „Nachher gehen wir nämlich zu einer Schul-Party, wo Miß
Apfelbacke gewählt werden soll, die Spätsommerkönigin mit dem herbstzarten
Teint. Und wie sehe ich jetzt aus? Das verdanke ich Ihrer schlechten Laune.
Mich trifft sowas sehr. Da erhole ich mich stundenlang nicht. Mist, verdammter!
Wo ich doch zweite oder dritte geworden wäre.“
„Du siehst aber gut aus“, stellte Magda
mit dümmlicher Miene fest.
„Nicht so gut, wie es sein soll. Frau
Tepler, bitte, könnten Sie mir nicht mit etwas Make up
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