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Verrat in Freistatt

Titel: Verrat in Freistatt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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mehr über dieses »Spukschiff« gefragt, aber er spürte, daß er sich bloß unbeliebt machen würde, wenn er noch länger bliebe. »Ich erzähle keine Geschichte, ehe ich ihr Ende nicht kenne«, versicherte er dem finster Dreinschauenden. »Kein Wort wird über meine Lippen kommen, bis ich nicht mehr erfahren habe, und selbst dann wirst du der erste sein, der die Geschichte hört, als Dank für deine Offenheit.«
    »Gut«, brummte Ornat. »Obwohl mir statt der Geschichte eine Runde Bier lieber wäre.«
    »Ein armer Mann muß sparsam mit seinem Geld umgehen«, sagte Hakiem lachend. Er stand auf, doch dann zögerte er. »Und die Frau des Alten Mannes ...?«
    Ornat senkte die Augen, und plötzlich schien sich eine Mauer zwischen die beiden Männer geschoben zu haben. »Man wird sich schon um sie kümmern. Im Fischerviertel sorgen wir füreinander.«
    Fast verlegen fummelte der Geschichtenerzähler in seinem Gewand und brachte einen kleinen Beutel zum Vorschein. »Da«, murmelte er und legte ihn auf den Tisch. »Es ist nicht viel, aber ich möchte wenigstens ein bißchen beitragen, soweit ich es mir leisten kann.«
    Der Beutel blieb unberührt.
    »Sie nimmt keine Almosen von Stadtleuten.«
    Einen Augenblick schien der kleine Geschichtenerzähler zu doppelter Größe anzuschwellen. »Dann gibst du es ihr!« zischte er. »Oder denen, die sie unterstützen - oder reibst es in ein Fischfaß, bis es stinkt ...« Er unterbrach sich, als er sich der neugierigen Blicke von den Nachbartischen bewußt wurde. Sofort kehrte der bescheidene Geschichtenerzähler an die Oberfläche zurück. »Omat, mein Freund«, sagte er ruhig. »Du kennst mich. Ich bin genausowenig ein Städter wie ein Fischer oder Soldat. Laß den Stolz einer alten Frau nicht zwischen ihr und ein paar ehrlichen Kupferstücken stehen. Sie lassen sich nicht schlechter ausgeben, als wenn sie am Fischstand verdient worden wären.«
    Nachdenklich griff der Fischer nach dem Beutel, dann blickte er Hakiem durchdringend an. »Warum?«
    Der Geschichtenerzähler zuckte die Schultern. »Die Geschichte vom Alten Mann und der Riesenkrabbe (1) hat mir viel eingebracht. Mir würde der Wein, den ich mit dem Geld kaufe, nicht mehr schmecken, solange ich weiß, daß seine Frau Not leidet.«
    Omat nickte, und nun verschwand der Beutel außer Sicht.
    Es dämmerte, als Hakiem aus dem »Weinfaß« trat. Lange Schatten verbargen den Verfall, der ihm zuvor ins Auge gesprungen war, aber vielleicht fiel er ihm jetzt auch deshalb nicht mehr so auf, weil er sich nun wohler fühlte, da sein Geschenk angenommen worden war. Aus einem plötzlichen Einfall heraus beschloß er, an den Piers entlangzuspazieren, ehe er ins Labyrinth zurückkehrte.
    Der Wind trug Meeresgerüche herbei und spielte mit seinem Gewand, während Hakiem über Ornats Geschichte nachdachte. Das Verschwinden des Alten Mannes und seines Sohnes setzte die Reihe ungewöhnlicher Geschehnisse der letzten Zeit fort: der Krieg, der sich im Norden zusammenbraute; der Überfall auf Jubals Anwesen; und das Verschwinden sowie das spätere Wiederauftauchen von Tempus und Eindaumen. Das alles war fernem Donnergrollen vergleichbar, wie sich ein Unwetter gewaltigen Ausmaßes ankündigen mochte.
    Ornat hatte gesagt, die Zeit der Stürme wäre noch Monate entfernt, doch nicht alle Stürme waren natürlichen Ursprungs. Etwas stand bevor! Der Geschichtenerzähler spürte es in der Luft und las es in den Gesichtern der Menschen auf den Straßen - doch hätte er genausowenig wie sie zu sagen vermocht, was es war, das sie zu befürchten hatten.
    Flüchtig dachte er daran, einen seiner seltenen Besuche in einem Tempel zu machen, doch wie gewöhnlich schreckte ihn allein schon die große Zahl der Gottheiten, die erwarteten, angebetet oder besänftigt zu werden. Bei den kleinlichen Eifersüchteleien unter den Göttern und Priestern war es besser, von allen Abstand zu nehmen, als die Gefahr einzugehen, sich für die falschen zu entscheiden.
    Die gleichen Münzen, die er als Opfer darbringen könnte, würden ihm vielleicht auch durch eine der Basar-Seherinnen einen Blick in die Zukunft ermöglichen. Allerdings war ihr Gebrabbel manchmal so unverständlich, daß man die Wahrheit erst erkannte, wenn das Vorhergesagte vorbei war. Mit einem selbstzufriedenen Grinsen traf Hakiem seinen Entschluß. Statt sein Geld für Götter oder Seherinnen auszugeben, würde er auf seine eigene, angenehmere Weise nach Einblick und Omen suchen: auf dem Grund eines

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