Verrat in Paris
nur die Amerikaner müssen sich bessern«, schnaubte Nina. »Keiner von uns, nicht mal die Franzosen, macht seine Sache zurzeit besonders gut. Oder was sagst du, Philippe?«
Philippe errötete unter ihrem Blick. »Wir haben im Moment alle unsere Schwierigkeiten, Nina …«
»Die einen mehr, die anderen weniger.«
»Wir haben es mit einer globalen Rezession zu tun. Da muss man Geduld haben.«
Nina ereiferte sich. »Und wenn man sich das Warten nicht leisten kann?« Sie leerte ihr Glas in einem Zug und stellte es mit Vehemenz ab, »Was dann, Philippe, mein Liebling?«
Die Unterhaltung verstummte abrupt. Jordan bemerkte, dass Helena amüsiert zuschaute und dass Philippe sein Glas mit weiß gewordenen Fingerknöcheln umklammerte. Was zum Teufel ist denn hier los? fragte er sich. Eine kleine Privatfehde? Überhaupt waren an diesem Abend merkwürdige Spannungen zu spüren. Vielleicht lag es aber nur daran, dass der Champagner in Strömen floss. Reggie hatte ihm jedenfalls schon zu sehr zugesprochen. Ihr korpulenter Hausgast wanderte gerade wieder vom Austerntablett zum Champagnertisch. Mit unsicherer Hand nahm er sich ein Glas und führte es an die Lippen. Heute Abend benahmen sich alle etwas sonderbar. Sogar Beryl.
Insbesondere Beryl.
Er beobachtete seine Schwester, die gerade den Raum betrat. Ihre Wangen waren gerötet, ihre Augen glänzten. Knapp hinter ihr ging der Amerikaner, dessen Wangen ebenfalls gerötet waren, und der den Eindruck erweckte, dass er sich etwas unbehaglich fühlte. Aha, dachte Jordan und lächelte. Ein kleines Techtelmechtel im Garten gehabt, was? Schön für sie. Die arme Beryl konnte etwas Romantik gebrauchen – vielleicht würde sie dann endlich diesen chronisch untreuen Chirurgen vergessen.
Beryl nahm sich ein Glas Champagner vom Tablett einer der Hostessen und ging auf Jordan zu. »Na, amüsierst du dich?« fragte sie.
»Nicht so gut wie du, würde ich sagen.« Er sah hinüber zu Richard Wolf, der gerade von einem amerikanischen Geschäftsmann in Beschlag genommen worden war.
»Und?« flüsterte er. »Konntest du ihm ein Geständnis abringen?«
»Nicht ein Wort.« Sie lächelte über den Rand ihres Glases hinweg. »Seine Lippen sind versiegelt.«
»Ach ja?«
»Ich versuch’s nachher noch mal. Erst muss er sich ein bisschen abkühlen.«
Wie schön meine kleine Schwester aussieht, wenn sie glücklich ist, dachte Jordan. Was in letzter Zeit nicht so oft vorgekommen war, wie ihm schien. In ihrem Herzen brannte die Leidenschaft; und dadurch war sie viel verwundbarer, als sie jemals zugeben würde. Seit einem Jahr lebte sie sozusagen abstinent, hatte keine Lust mehr, auf die Piste zu gehen. Sie hatte sogar ihre Wohltätigkeitsarbeit im St. Luke-Krankenhaus aufgegeben – eine Tätigkeit, die ihr viel Spaß gemacht hatte. Aber es tat ihr zu weh, ständig ihrem früheren Geliebten über den Weg zu laufen.
Doch heute Abend sah er in ihren Augen wieder den alten Glanz und freute sich darüber. Und ihre Augen glänzten noch mehr, als Richard Wolf sie ansah. Die beiden warfen sich kokette Blicke zu. Fast konnte er die Spannung zwischen ihnen greifen.
»… natürlich eine verdiente Ehre, aber etwas zu spät. Oder was meinst du, Jordan?«
Jordan schaute verwundert in Reggie Vanes blutunterlaufene, rotgeränderte Augen. Der Mann hatte eindeutig zu viel getrunken. »Entschuldigen Sie«, sagte er. »Es tut mir Leid, aber ich kann nicht ganz folgen.«
»Die Medaille der Queen für Leo Sinclair. An Leo erinnern Sie sich, oder? Ein toller Typ. Starb vor eineinhalb Jahren. Oder sind es schon zwei Jahre?« Er schüttelte seinen Kopf, als wolle er sich Klarheit verschaffen. »Jedenfalls werden sie jetzt erst seiner Witwe die Medaille überreichen. Das ist doch unentschuldbar.«
»Nicht jeder, der im Golfkrieg umkam, bekommt einen Orden«, warf Nina Sutherland ein.
»Aber Leo war beim Geheimdienst«, sagte Reggie. »Er verdiente eine Ehrung, vor allem, wenn man die Umstände seines Todes bedenkt.«
»Vielleicht war es zunächst einfach ein Versehen«, sagte Jordan. »Irgendwelche Papiere wurden verlegt oder so was. Der MI 6 versucht, alle Opfer zu ehren, aber Leo muss ihnen irgendwie durch die Lappen gegangen sein.«
»So wie Mum und Dad«, sagte Beryl. »Sie starben auch im Dienst. Und sie bekamen auch nie einen Orden.«
»Im Dienst?« entgegnete Reggie. »Wohl nicht so ganz.«
Unsicher führte er sein Glas zum Mund. Plötzlich stutzte er, denn er merkte, dass alle ihn anstarrten. Das
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