Verrat in Paris
ihr erzählt. Und wenn Marie von der Wohnung in der Rue Myrha wusste …«
»Dann wusste auch Helena davon.« Richard starrte Jordan an.
Sofort hatten beide denselben Gedanken.
Beryl.
Beide standen unvermittelt auf. »Wir brauchen Verstärkung!«
rief Richard Daumier zu. »Wir fahren schon mal vor!«
»Zu den Vanes?«
Richard gab keine Antwort; er war bereits zur Tür hinaus.
»Steig ein«, forderte Helena sie auf.
Beryl blieb stehen, die Hand am Türgriff des Mercedes.
»Man wird dir Fragen stellen, Helena.«
»Und ich werde sie beantworten. Ich habe geschlafen, verstehst du. Ich habe die ganze Nacht geschlafen. Und als ich aufwachte, warst du weg. Du bist vom Grundstück
verschwunden und wurdest nicht mehr gesehen.«
»Reggie wird sich erinnern …«
»Reggie wird sich an gar nichts erinnern. Er ist sturzbesoffen.
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Soweit er weiß, war ich die ganze Zeit im Bett.«
»Man wird dich verdächtigen …«
»Es ist zwanzig Jahre her, Beryl. In diesen zwanzig Jahren hat mich keiner je verdächtigt.« Sie hob die Waffe. »Und jetzt steig ein. Du fährst. Oder willst du, dass ich meine Geschichte ändern und erzählen muss, dass ich einen vermeintlichen Einbrecher erschossen habe?«
Beryl starrte auf die Pistolenmündung, die auf ihre Brust gerichtet war. Sie hatte keine andere Wahl. Helena würde sie tatsächlich erschießen. Sie stieg ein.
Helena setzte sich auf den Beifahrersitz und warf ihr die Schlüssel in den Schoß. »Lass den Motor an.«
Beryl drehte den Schlüssel im Zündschloss; der Mercedes schnurrte wie eine zufriedene Katze. »Meine Mutter wollte dich nie verletzen«, sagte Beryl leise. »Sie war nie an Reggie interessiert. Sie wollte ihn nicht.«
»Aber er wollte sie. Oh, ich weiß noch, wie er sie immer ansah! Weißt du, er sagte im Schlaf ihren Namen. Ich lag neben ihm, und er dachte an sie. Ich wusste nie, ich wusste wirklich nie, ob sie nicht …« Sie schluckte. »Fahr los.«
»Wohin?«
»Zum Tor raus. Los!«
Beryl fuhr den Mercedes aus der Garage und rollte über den kopfsteingepflasterten Hof. Helena betätigte eine Fernbedienung und das Eisentor öffnete sich und schloss sich wieder hinter ihnen. Vor ihnen lag die von Bäumen gesäumte Straße. Es waren keine anderen Autos unterwegs, es gab keine Zeugen.
Das Lenkrad rutschte in ihren schweißnassen Händen. Beryl musste es fest umklammern, damit ihre Hände nicht zitterten.
»Mein Vater hat dir nie etwas getan«, flüsterte sie. »Warum musstest du ihn umbringen?«
»Irgendjemand musste doch der Schuldige sein. Warum nicht 245
ein Toter? Und außerdem war es ja Ninas Wohnung – das machte alles noch praktischer.« Sie lachte. »Du hättest mal sehen sollen, was Nina und Philippe alles veranstalteten, um die Sache zu vertuschen.«
»Und Delphi?«
Helena schüttelte erstaunt den Kopf. »Was für ein Delphi?«
Sie hat keine Ahnung, dachte Beryl. Wir haben die ganze Zeit die falschen Schlüsse gezogen. Richard ahnt nicht im Traum, was wirklich geschehen ist.
Die Straße wurde kurviger und schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch. Es war stockdunkel. Sie fuhren tiefer in den Bois de Boulogne hinein. Ob man mich da finden wird, fragte sich Beryl verzweifelt und vollkommen entmutigt. In irgendeinem einsamen Wäldchen? Oder auf dem schlammigen Grund eines Tümpels?
Sie schaute auf die von den Scheinwerfern erhellte Straße. Sie näherten sich der nächsten Kurve.
Das ist vielleicht die einzige Chance, die ich habe. Entweder lasse ich es zu, dass sie mich erschießt, oder ich versuche zu kämpfen. Sie lenkte den Wagen geradeaus. Dann trat sie aufs Gas. Der Motor heulte auf, die Reifen quietschten. Beryl wurde in ihren Sitz gedrückt, als der Mercedes einen Satz nach vorn machte.
Helena schrie »Nein!« und versuchte, ihr ins Lenkrad zu greifen. Kurz bevor sie gegen den Baum knallten, gelang es Helena, den Wagen zur Seite zu lenken. Der Mercedes überschlug sich mehrfach, Scheiben splitterten, und die beiden Frauen wurden gegen das Armaturenbrett geschleudert.
Der Wagen blieb auf dem Dach liegen. Alle vier Räder drehten sich noch.
Es war die plärrende Hupe, die Beryl wieder zu Bewusstsein brachte. Und die Schmerzen. Sie hatte fürchterliche Schmerzen 246
im Bein. Sie versuchte, sich zu bewegen, und stellte fest, dass ihr Oberkörper zwischen Lenkrad und Sitz eingeklemmt war und ihr Kopf irgendwo zwischen Windschutzscheibe und Armaturenbrett. Obwohl es ihr höllische Schmerzen bereitete, schaffte sie es, sich
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