Verruchte Lady
höchst ärgerlich, ebenso wie die anderen Schreiben.«
Phoebe schluckte, als ihr klar wurde, daß er nicht gerade bester Stimmung war. »Ich hatte eigentlich gehofft, Ihr Interesse zu wecken, Sir.«
»Ich habe eine starke Abneigung gegen Täuschungsmanöver jeglicher Art.«
»Ich verstehe.« Phoebes Mut sank. Eine starke Abneigung gegen Täuschungsmanöver jeglicher Art. Plötzlich fragte sie sich, ob es nicht vielleicht ein ernsthafter taktischer Fehler gewesen war, sich mit Wylde einzulassen. Um so besser, daß sie sich heute abend verschleiert hatte. Auf keinen Fall sollte er wissen, wer sie war, falls ihre Verhandlungen scheiterten. »Trotzdem freue ich mich, daß Sie beschlossen haben, meine Einladung anzunehmen.«
»Meine Neugier hat mich getrieben.« Gabriel lächelte schwach im Mondlicht, aber sein Lächeln enthielt keine Wärme, und seine dunkle Miene verriet keine Regung. »Sie sind mir seit zwei
Monaten ein Dorn im Auge, Madam. Ich nehme an, das ist Ihnen durchaus bewußt.«
»Das tut mir leid«, sagte Phoebe mit ernster Stimme. »Aber ich war wirklich verzweifelt, Mylord. Es ist recht schwierig, mit Ihnen Kontakt aufzunehmen. Sie haben meine ersten Briefe nicht beantwortet, und da Sie nur selten in der Öffentlichkeit auftauchen, wußte ich nicht, wie ich sonst Ihre Aufmerksamkeit erregen sollte.«
»Also haben Sie beschlossen, mich derart zu provozieren, daß ich mich schließlich doch dazu entschied, Sie zu treffen?«
Phoebe atmete tief ein. »So in etwa.«
»Es gilt allgemein als gefährlich, mich zu verärgern, meine geheimnisvolle verschleierte Lady.«
Daran zweifelte sie nicht einen Augenblick, aber jetzt war es zu spät, um einen Rückzieher zu machen. Sie war bereits zu weit gegangen, um nun das nächtliche Unternehmen abzublasen. Sie war eine Lady auf einer heiligen Mission, und sie mußte Mut beweisen.
»Ach ja, Mylord?« Phoebe bemühte sich um einen kühlen, amüsierten Ton. »Die Sache ist die, daß Sie mir einfach keine Wahl gelassen haben. Aber keine Angst, ich bin sicher, daß Sie froh sein werden, meiner Einladung Folge geleistet zu haben, wenn Sie erst einmal gehört haben, was ich zu sagen habe, und ich weiß, daß Sie mir dann auch mein kleines Täuschungsmanöver verzeihen werden.«
»Falls Sie mich hierherbestellt haben, um zu triumphieren, dann kann ich Sie nur warnen. Ich bin kein guter Verlierer.«
»Triumphieren?« Sie blinzelte hinter dem Schleier, doch dann wurde ihr klar, daß er von dem Köder sprach, den sie benutzt hatte, um ihn heute abend hierherzulocken. »Oh, ja, das Buch. Also bitte, Mylord. Sie sind ebenso versessen darauf, das Manuskript zu sehen, wie ich es bin. Offensichtlich konnten Sie meiner Einladung, es sich anzusehen, nicht widerstehen, auch wenn ich die neue Besitzerin bin.«
Gabriel tätschelte den Hals seines Hengstes. »Anscheinend haben wir ein gemeinsames Interesse für mittelalterliche Manuskripte.«
»Stimmt. Und wie ich sehe, sind Sie verärgert, daß ich es war, die Der Ritter und der Zauberer entdeckt hat«, sagte Phoebe. »Aber Sie sind doch sicher großmütig genug, um einzugestehen, daß ich meine Nachforschungen mit großer Geschicklichkeit durchgeführt habe. Das Manuskript befand sich schließlich hier in Sussex, praktisch direkt vor Ihrer Nase.«
Gabriel nickte anerkennend. »Sie scheinen bei solchen Dingen ziemliches Glück zu haben. Dies ist bereits das dritte Manuskript, das Sie in den letzten Wochen vor mir in die Hände bekommen haben. Darf ich fragen, warum Sie es nicht einfach abholen und mitnehmen, so wie Sie es mit den anderen Büchern gemacht haben?«
»Wie ich in meinen Briefen bereits angedeutet habe, möchte ich mit Ihnen sprechen, Sir.« Phoebe zögerte und fuhr dann eilig fort: »Und um ehrlich zu sein, dachte ich, es sei vielleicht ganz vernünftig, heute abend einen Begleiter zu haben.«
»Ah.«
»Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß Mr. Nash ein sehr eigenartiger Mann ist, selbst für einen Buchsammler. Als er die Zeit nannte, um die er mir das Manuskript aushändigen würde, hatte ich ein höchst ungutes Gefühl. Es mißfällt mir, um Mitternacht Geschäfte zu tätigen.«
»Nash scheint wirklich mehr als nur leicht exzentrisch zu sein«, stimmte ihr Gabriel nachdenklich zu.
»Er behauptet, er sei ein Nachtmensch. In seinen Briefen schreibt er, daß sein Haushalt einem der normalen Welt entgegengesetzten Rhythmus folgt. Er schläft, wenn andere wach sind, und arbeitet, wenn andere schlafen. Sehr
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