Verrueckt nach Liebe
reichte ihr ihre Papiere durchs Fenster zurück. »Ich habe Sie wegen unkonzentrierten Fahrens angehalten, werde Ihnen aber nicht eine Geldstrafe auferlegen.«
Vermutlich sollte sie etwas darauf erwidern. »Danke« – glaubte sie zumindest –, »Officer …?«
»Matthews. Bleiben Sie auf Ihrer Straßenseite, Lily. Ihr kleiner Sohn braucht Sie noch.« Er drehte sich auf dem Absatz um und lief mit auf dem Schotter knirschenden Schritten zurück zum Streifenwagen.
Er wusste, dass sie einen Sohn hatte? Sie schaltete das Automatikgetriebe auf Fahren und fuhr wieder auf die Schnellstraße. Woher? Bekam man solche Informationen über den Computer, wenn man Autokennzeichen überprüfte? Hatte er auch ihr Gewicht gecheckt? Sie sah in den Rückspiegel. Er parkte immer noch am Straßenrand, hatte das Blinklicht jetzt aber ausgeschaltet. Wie die meisten Frauen gab sie grundsätzlich zwei Kilo weniger an. Sie wog in Wahrheit keine siebenundfünfzig Kilo, würde es aber gerne. Sie hatte das Gefühl, dass sie seit ihrem fünfunddreißigsten Geburtstag zwei Kilo zugelegt hatte, die sie einfach nicht wieder loswurde. Da half es natürlich nicht gerade, einen Zehnjährigen im Haus zu haben, der über den ganzen Tag verteilt immer wieder kleine Snacks brauchte.
Innerhalb kürzester Zeit hatte Lily Officer Matthews vergessen. Sie hatte andere Sorgen, und zehn Minuten später drückte sie auf den Garagentoröffner, der an ihrer Sonnenblende klemmte, und fuhr an dem Basketballkorb neben der Einfahrt vorbei in ihre Garage. Sie war sich sicher, dass Pippen nebenan durchs Wohnzimmerfenster spähte und bei ihr zu Hause wäre, noch bevor sie ihre Tote Bag und ihre Handtasche absetzte.
»Mom«, rief er wie vorhergesehen, während er durch die Hintertür hineinstürmte, »Grandma hat gesagt, sie kommt mit ihren Spaghetti-Resten zu uns rüber.« Er feuerte seinen Rucksack auf den Küchentisch. »Versteck dich.«
Mist. Sie griff in ihre Handtasche und zog ihr Handy heraus. »Hi, Ma«, sagte sie, sobald ihre Mutter ranging. »Pippen sagt, du willst Spaghetti rüberbringen. Ich wünschte, das hätte ich vorher gewusst, denn ich hab uns was von Chicken Licken mitgebracht.«
»Ach, zum Kuckuck. Ich weiß doch, wie gern ihr meine Spaghetti esst.« Lily hatte keinen Schimmer, wie sie darauf kam. »Hab ich dir schon von deinem neuen Nachbarn erzählt?«
Lily verdrehte die Augen und knöpfte ihren Mantel auf. Das Haus links von ihr hatte über ein Jahr lang zum Verkauf gestanden. Es hatte erst vor wenigen Wochen einen Käufer gefunden, und sie fragte sich, wieso Louella so lange gebraucht hatte, sich mit ihm bekanntzumachen und auszukundschaften, was es mit ihm auf sich hatte.
»Es ist ein alleinstehender Mann mit einer Katze namens Pinky.«
Ein Mann mit einer Katze? Namens Pinky? »Ist er schwul?«
»Kam mir nicht so vor, aber erinnerst du dich noch an Milton Farley?«
»Nein.« Und es war ihr auch egal, wenn Louella allerdings eine Geschichte zu erzählen hatte, gab es kein Halten mehr.
»Er hat drüben in Ponderosa gewohnt und war mit Brenda Jean verheiratet. Sie hatten spindeldürre kleine Kinder mit Triefnasen. Ein paar …«
Lily legte die Hand über die Sprechmuschel und flüsterte ihrem Sohn, der die Arme um ihre Taille geschlungen hatte, zu: »Ich komme in die Hölle, weil ich dir zuliebe Grandma angelogen habe.«
Pippen hob grinsend das Gesicht zu ihr und zeigte einen Mund voller Spangen mit blauen Bändern. Manchmal sah er seinem Daddy so ähnlich, dass es ihr das Herz brach. Goldblonde Haare, braune Augen und lange, geschwungene Wimpern. »Ich hab dich lieb, Mom«, sagte er und wärmte ihr das Herz damit. Sie war jederzeit bereit, für ihren Sohn alles zu tun. Für ihn durchs Feuer zu gehen, zur Diebin und zur Mörderin zu werden und ihm zuliebe ihre Mutter anzulügen. Er würde groß und stark werden und an der Texas A&M studieren.
Aus Phillip Ronald Darlington würde etwas werden. Etwas Besseres als aus seinen Eltern.
Während ihre Mutter weiter über Milton Farley und seine heimlichen Freunde in Odessa quasselte, beugte sich Lily hinab und küsste ihren Sohn auf den Scheitel. Sie streichelte durch sein T-Shirt seinen Rücken und spürte, wie er wohlig erschauderte. Ronnie Darlington war eine Ratte, aber er hatte ihr einen wunderbaren kleinen Jungen geschenkt. Sie war ihm nicht immer die beste Mutter gewesen, doch sie dankte Gott, dass sie nie so viel Mist gebaut hatte, um dadurch das Leben ihres Sohnes zu
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