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Verrückte Lust.

Verrückte Lust.

Titel: Verrückte Lust. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Miller
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Aber siehst du denn nicht – sie ist doch fast wie ein Mann.« Er sah Vanya mit einem strahlenden Lächeln an, als habe er ihr soeben das allergrößte Kompliment gemacht. Hildred wollte schon wieder in brüllendes Gelächter ausbrechen, aber Vanya hinderte sie daran.
     Und dann meldete sich Tony Bring zu Wort. »Ja, Mutter«, sagte er, »sie hat dort ein gutes, gesundes Leben geführt. Du siehst ja, was für eine gute Konstitution sie hat.« Worauf Vanya von allen einer genauen Betrachtung unterzogen wurde – wie ein Bild, das von niemandem beachtet worden ist, bis ein aufmerksamer Mensch auf seinen Wert hingewiesen hat.
     Hier stellte Tony Brings Mutter eine peinliche Frage.
     Sie wollte wissen, womit sie denn eigentlich ihren Lebensunterhalt verdienten, und insbesondere, ob Tony auch arbeite. Hildred wurde sogleich ernst. Tony müsse doch sein Buch zu Ende schreiben, und danach… nun ja, danach, so meinte sie, würden ihre Sorgen wohl vorüber sein.
     »Ich finde, ihr seid nicht ganz bei Trost«, sagte Tony Brings Mutter. »Seit drei Jahren erzählt ihr mir nun von diesem Buch. Woher wollt ihr wissen, ob es auch wirklich Geld einbringen wird? Es gibt schon so viele Schriftsteller, und die meisten müssen hungern. Ich finde, er sollte sich nach Arbeit umsehen. Es ist doch eine Schande, daß du dich dauernd für ihn abrackerst. Bis er sich einen Namen gemacht hat, bist du eine alte Frau.«
     »Das reicht«, sagte der alte Herr. »Mutter sieht immer nur schwarz. Laßt uns von etwas Fröhlicherem reden… Wie habt ihr den Heiligabend gefeiert? Seid ihr ins Kino gegangen?«
     Vanya und Hildred machten betretene Gesichter, und so mußte Tony Bring erzählen, was für einen schönen Abend sie verbracht hatten.
     Babette wollte wissen, ob sie einen Weihnachtsbaum gekauft und wieviel sie dafür bezahlt hätten. »Wir haben für unseren eineinviertel Dollar bezahlt«, sagte sie. Sie beschrieb ihnen, wo sie – sehr billig – den Baumschmuck für nächstes Jahr kaufen könnten.
     Hildred erfand eine lange Geschichte über den Baum, den sie nicht gekauft hatten. Die Familie hörte ihr gebannt zu. Diese Geschichte über den Weihnachtsbaum war ja auch weit interessanter als Vanyas Erzählung über Mexiko und Mittelamerika, wo Götzenbilder tief im Urwald versteckt waren und chicleros mit ihren Macheten umherzogen und Gummi für die Wrigley Kaugummi-Gesellschaft sammelten.
     Gegen Abend erhoben sie sich vom Eßtisch, und während Babette ihrer Mutter beim Abwaschen half, setzte Tony Bring sich in den Schaukelstuhl und hörte dem alten Herrn zu. Der wurde immer ernster; er legte sich, den Kopf auf den Unterarm gelegt, in den Sessel mit der verstellbaren Rückenlehne und dachte laut über die traurige Situation in der Finanzwelt nach. Er hatte das Temperament verloren, das seine Trinkkumpane immer so geschätzt hatten. Den Alkohol hatte er nun schon seit fünfzehn Jahren aufgegeben, und immer wenn er diesen Wendepunkt in seinem Leben erwähnte, tat er das mit einem Unterton trauriger Resignation, als habe er einen großen Fehler gemacht, denn seit diesem denkwürdigen Tag war es mit seinem Leben bergab gegangen. Ein Kunde nach dem anderen war gestorben, und es schien keine neuen zu geben, die ihren Platz einnahmen. Die kleinen Fische, zu denen auch er gehörte, wurden nach und nach aus dem Geschäft gedrängt von den großen Gesellschaften, die sich ihrerseits zusammentaten, um noch größere Konzerne zu bilden. Alle schienen knapp bei Kasse zu sein; manche seiner Kunden hatten seit fünf Jahren nichts mehr gekauft. Es wäre viel besser, sagte der alte Herr, wenn die Leute sich die Gewohnheit zulegen würden, Geld auszugeben, anstatt es zu sparen. Es war mal wieder eins von diesen schlechten Weihnachtsfesten.
     Beim Zuhören hatte Tony Bring den Eindruck, daß der alte Herr langsam senil wurde. Das frühere Feuer war erloschen; er war bloß noch eine Hülle, die ein hohles, klagendes Murmeln von sich gab. Sanft und gezähmt lehnte er sich in seinem Sessel zurück, verwirrt und gelähmt vom überwältigenden Lauf der Dinge. Er beklagte, daß die guten alten Zeiten vorbei waren, daß die Generation, deren Gewohnheiten und Werte er verstand und respektierte, abgetreten war. Einmal hatte er für kurze Zeit bei der Religion Zuflucht gesucht, aber die Kirche mit ihren leeren Versprechungen und traurigen Gesichtern flößte ihm noch weniger Hoffnung ein als die Republikanische Partei.
     Bei diesen trübseligen Grübeleien

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