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Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition)

Titel: Verschleppt: Linda Roloffs sechster Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edi Graf
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Schnell verdiente Fränkli? Wie kamen sie Monat für Monat
in das Bankfach in Stein? Er hatte sich das schon oft gefragt, doch es ging ihn
nichts an. Würde das Geld auch im nächsten Monat noch dort sein, obwohl sie dann
schon unter der Erde lag?
    Er würde
es herausfinden. Würde mit seiner Vespa hinfahren, über den Schiener Berg wie jeden
Monat, würde über die Grenze fahren und in die Bank in Stein spazieren wie jeden
Monat. Würde das Schließfach öffnen und sehen. Vielleicht hatte er ja Glück?
    Er ging
noch einmal die paar Meter zu seiner alten Vespa, die er am Gartenzaun abgestellt
hatte, und fischte die Flasche wieder aus der versifften grauen Satteltasche. Er
zog den Korken heraus und ließ sich den trockenen Schwarzriesling in großen Schlucken
die Kehle hinunter laufen.
    Er würde
die Vespa heute stehen lassen, wie immer, wenn er trank. Eigentlich trank er fast
immer. Manchmal vergaß er, die Vespa dann stehen zu lassen, doch er hatte stets
Glück gehabt. Die ›Narrenzunft Grünweiß‹ hatte ihn noch nie erwischt. Grünweiß!
Er kicherte. ›Blausilber‹, musste das jetzt heißen. Obwohl …? Vielleicht kehrte
der neue grüne Ministerpräsident ja wieder zur grünen Polizeifarbe zurück? Er steckte
den Korken in die Flasche und dachte an die alte Frau.
    Sie war
noch fit gewesen, erstaunlich fit sogar. Stundenlange Spaziergänge, am See und im
Ried, drüben in Wollmatingen, am liebsten allein in der Natur, keck in khakifarbigen
Allwetterklamotten, Thermohose und Windjacke, Schlapphut. Das Spektiv in der Umhängetasche
über der Schulter, den Riemen des kleinen Fernglases um den Hals. So hatte man sie
gekannt, die naturverbundene rüstige Rentnerin. Witwe seit zwölf Jahren, kinderlos,
tierlieb. Von den Vogelarten im Ried kannte sie alle, konnte stundenlang von der
Beobachtung eines Brachvogels schwärmen, hatte am Protest gegen die Vergrämung der
Kormorane teilgenommen und alte Wollsocken als Nistmaterial für Beutelmeisen in
den Weiden am Riedkanal aufgehängt.
    Jetzt war
sie tot. Was würde die Polizei denken? Er sah sich um. Kein Stein, keine Unebenheit
im Gelände, über die sie gestürzt sein könnte. Welche anderen Möglichkeiten gab
es für die Polizei? Herzinfarkt? Zusammengebrochen und dann mit dem Kopf aufgeschlagen?
Der Boden war weich, die frostige Erde aufgetaut. Woher kam der Spalt in ihrem Schädel?
    Sein Blick
fiel auf den schmalen Gegenstand im Gras. Der Stiel einer Schaufel? Nein kürzer!
    Eine Fahrradpumpe?
Nein, raue Oberfläche, verrostetes Metall. Er machte die paar Schritte darauf zu.
    Bückte sich.
    Berührte
kaltes Eisen.
    Hob es hoch.
    Schwer.
    Ließ es
wieder zu Boden fallen. Das eine Ende bohrte sich in den lockeren Rasen, dann kippte
das Brecheisen und lag wieder mit seinem gesamten Gewicht eben auf der Wiese. Eine
tödliche Schlagwaffe.
    Hatte man
ihr damit den Schädel eingeschlagen? Er dachte an die letzte Nacht.
    Verdammt,
durchzuckte es ihn, jetzt sind deine Fingerabdrücke da drauf!

3
     
    »Was machsch’n do, Pulle?«, hörte
er und erkannte den Mann, ohne sich umzudrehen, an seinem Dialekt und an seiner
tiefen Stimme.
    Michel betrieb
im Ort eine kleine Autowerkstatt, in der alten Scheune eines heruntergewirtschafteten
Bauernhofs. Reparierte alles, was einen Motor hatte, vom Rasenmäher über den Traktor
bis zum Daimler.
    Blaumann,
grauer Arbeitskittel voll Ölflecken, Ärmel hochgekrempelt, die behaarten Unterarme
voll Wagenschmiere, das Gesicht unrasiert, die Brille krumm, die Haare zerzaust
wie eben erst aufgestanden. Michel eben. Er trat durch das niedrige Gartentor, sah
die Leiche und sah zu Pulle.
    »Isch die
tot?«
    Pulle nickte
und ließ die Rotweinflasche in seiner weiten Hosentasche verschwinden. Michel tat,
als bemerke er das nicht und zeigte auf die Gestalt am Boden.
    »Was isch
passiert?«
    Pulle zuckte
mit der Schulter.
    »Lag so
da, als ich kam. Einfach so.«
    »Da isch
Blut an ihrem Kopf!« Michel hatte die Leiche umrundet und war in die Hocke gegangen.
»Und Glasscherben!«
    »Glasscherben?«
Pulle bückte sich nun ebenfalls und starrte auf die grünen Scherben, die im kurzen
Rasen das Sonnenlicht reflektierten.
    »Do sind
no meh’!« Michel deutete in Richtung eines Blumenbeets, in der es zwischen knospenden
Hyazinthen und gelb leuchtenden Osterglocken hell glitzerte. Pulle hob den grünen
Flaschenhals auf und hielt ihn gegen das Licht. Das Glas formte einen seltsamen
grünen Schatten unter seinem Auge. Wie durch ein Brennglas spürte er den

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