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Verschleppt

Verschleppt

Titel: Verschleppt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Richartz
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liebliche Frau. Sie hatte ihre Rundungen, aber einen besonders warmen Blick. Ihr Gesicht war mit Sommersprossen übersät, ein paar Strähnen ihrer rotblonden Haare fielen ihr über die Augen. Ihr Mann hatte sie wegen einer Jüngeren verlassen. Seitdem kümmerte sie sich mit noch mehr Hingabe um Scott. Er war alles, was sie hatte. Sie schniefte immer wieder in ein Taschentuch, ihre Augen waren gerötet.

    Amanda Gore schien mittlerweile jenseits von Panik und Angst zu sein, sie befand sich in einem Zustand der Isolation. Ihr Mann, Kenneth, hielt ihre Hand. Sein Sakko schien viel zu weit zu sein für seine hängenden Schultern. Er musste in den letzten Tagen mehrere Kilos abgenommen haben. Sie sprachen kein Wort. Von seinem Unfall konnte Sara äußerlich nichts mehr sehen, außer dass er sich sehr schwerfällig bewegte und bei jeder ruckartigen Bewegung sein Gesicht schmerzerfüllt verzog. Seine Rippen mussten immer noch höllisch wehtun. Sara schloss die Augen.

    „Wie lange dauert denn so was?“, platzte es plötzlich aus Mr. Smith heraus. Alle zuckten zusammen. Der Vater von Jason schien die Kontrolle zu verlieren. Er stand auf und brüllte wahllos in den Raum. Er war mittlerweile ein Nervenbündel. Lilly, die neben Sara saß, stand auf und versuchte, Mr. Smith zu beruhigen. „Hören Sie! David Havers macht die Autopsie. Er ist der Beste. Wir haben sicher bald ein Ergebnis.“ Mr. Smith winkte ab. „Sie haben doch keine Ahnung! Ist es Ihr Kind, was da liegen könnte?“, seine Stimme klang matt und leblos. „Sie tappen doch seit Monaten im Dunkeln! Ich hoffe, Ihnen ist bewusst, dass Sie an diesem ganzen Horror schuld sind. Schämen sollten Sie sich!“ Bevor er Lilly weitere Vorwürfe machen konnte, stockte er. „Jason...“, murmelte er und presste seine Handrücken gegen seine Schläfen. Er brach abrupt ab und verharrte regungslos, die Augen starr auf die Tür zum Autopsiesaal gerichtet. Seine Frau zog an seinem Arm, er schaute langsam nach unten auf sie herab. „Schatz, bitte. Komm her.“ Er beruhigte sich langsam und ließ sich aschfahl zurück auf seinen Platz fallen. Er atmete tief ein und legte seinen Arm um seine Frau. Lilly setzte sich wieder, sichtlich getroffen von den Worten. Ihre Lippen waren zu einem dünnen Strich zusammengepresst, ihre Stimme versagte. Sie tauschte einen schnellen Blick mit Sara aus. Sara nickte ihr vorsichtig zu, sie hatte nicht die Kraft, Lilly die Schuldzuweisungen auszureden. Das würde sie später machen. Für die Eltern muss diese Situation nochmal schlimmer sein als für sie. Sie waren alle noch nie in der Rechtsmedizin. Die Prozedur, die sich in diesem Moment auf der anderen Seite abspielte, musste ihnen gewiss entsetzlich vorkommen – weil sie auch nicht genau wussten, was exakt vor sich ging. Sara dachte an Havers. Sie kannte ihn. Er war wirklich gut in seinem Job, aber das half ihr im Moment auch nicht weiter. Sie blickte zu Matt, der immer noch völlig apathisch neben ihr saß. Sein Gesicht war versteinert. Wo sie einmal Zuversicht und Sicherheit gesehen hatte, waren nun nur noch Zweifel und Angst.

    Cruz hatte direkt vor dem Raum der Obduktion Platz genommen und rutschte nervös auf seinem Stuhl auf und ab, wirklich konzentrieren konnte er sich nicht. Er kannte Noah seit Jahren, er war oft bei Matt und Sara zu Besuch gewesen. Noah liebte es, auf seinem Schoss zu sitzen, während Cruz ihm vorlas. Die Vorstellung, dass Noah auf dem Tisch lag, ließen Tränen in seine Augen schießen. Plötzlich ging die Tür auf und ein Mann im weißen Kittel stand vor ihm. Cruz erhob sich. „Havers, und?“ Havers atmete tief ein. „Wir haben den Jungen identifiziert.“

Kapitel 43

    Der Abend war schon weit fortgeschritten, als die Tür aufging und Cruz vor den Eltern stand. Sara hörte nichts als das Rauschen ihres eigenen Pulses, ihre Knie begannen zu zittern. Sie vermied Cruz in die Augen zu schauen. Alle Eltern zuckten zusammen und starrten Cruz regungslos an. Stille. Schreckliche Stille. Sara nahm Matts Hand, sie war eiskalt. Cruz räusperte sich, seine Gesichtsmuskeln spannten sich an.

    „Barbara und Garry Smith, darf ich Sie bitten, mit mir zu kommen.“ Sara wusste, was das bedeutete. Sie war sich aber nicht sicher, ob die Eltern Smith das wussten. Diese regten sich kaum, standen leise auf und folgten Cruz. In dem Wartezimmer herrschte weiterhin Stille. Keiner traute sich etwas zu sagen. Plötzlich hallte nur ein Schrei aus der Gerichtsmedizin. Der Schrei zerriss

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