Verschleppt
blickte ihn an. „Wann können wir mit dem Ergebnis der Obduktion rechnen?“ Shawn rieb sich erschöpft den Nacken. „Ich denke, die Identifikation sollte heute Abend erfolgt sein. Das Ergebnis der Autopsie dann etwas später.“ Kurzes Schweigen. „Hast du die Leiche gesehen?“, fragte Lilly vorsichtig. Sein Blick sagte alles, seine Miene wurde hart. „Ja, das habe ich. Keine Chance, irgendetwas zu erkennen. Hier lauern so viele Aasfresser und Insekten, die auf sowas nur gewartet haben. Von Füchsen, Vögeln und Nagern gar nicht zu sprechen.“ Er stand auf und ging zu einem Beamten der Spurensicherung, auf seinem Hemdrücken waren Schweißflecken zu erkennen.
Lilly beobachtete, wie die Leiche abtransportiert wurde. Sie hatte das Gefühl, als ob aller Sauerstoff aus der Luft herausgesaugt worden wäre. Über ihr ertönte plötzlich ein lautes Geflatter. Sie legte ihren Kopf in den Nacken und beobachtete das Geschehen. Die Vögel, die sich in den Baumkronen scharten, waren alle gleichzeitig aufgeflogen und kreisten mit hektischen Flügelschlägen über ihr. Das Summen der Fliegen schien verschwunden. Lilly sah zu den Vögeln auf, sie glaubte, Krähen zu erkennen. Sie starrte sie minutenlang an, bis ihr Anblick sie nervös machte. Sie atmete tief ein und spürte, dass es immer schwüler wurde. Gewitterwolken zogen am Himmel auf.
Kapitel 41
Matt ging immer noch nicht an sein Handy. Sara hatte sich mittlerweile etwas gefangen. Die Autopsie fand in der Gerichtsmedizin statt. Jedes Elternteil musste eine Speichelprobe am Fundort der Leiche abgeben sowie eine Zahnbürste oder Ähnliches von zu Hause holen, um einen DNA-Abgleich machen zu können. Sie fuhr zu Matts Haus. Sie hatte einen bitteren Geschmack im Mund. Es war mittlerweile früher Mittag, die Temperaturen waren nochmal auf über 25 Grad gestiegen, aber in der Ferne war schon Donnergrollen zu hören. Sara war verzweifelt und kämpfte abermals mit den Tränen. Als sie vor dem Haus parkte, sah sie Matts blauen Honda in der Einfahrt stehen. Matt kam gerade mit Coop um die Ecke, er musste wohl mit ihm eine Runde gegangen sein. Er trug ein T-Shirt, eine ausgewaschene Jeans und Sandalen. Seine Haare waren nass, als ob er am Strand gewesen wäre. Matts Zufluchtsort. Dort konnte er seine Gedanken ordnen und ganz er selbst sein. Coop sprang die ganze Zeit an ihm hoch.
Sara hielt an und stieg aus. Als Matt Sara sah, winkte er ab, mit dem er das Offensichtliche zeigte: Er war nicht erfreut, seine Ex hier zu sehen. „Verschwinde, Sara!“ Sara lief auf ihn zu, hielt ihn am Arm fest und schrie ihn an. „Du verdammter Arsch! Weißt Du, was ich die letzten Stunden durchgemacht habe?“ Matt drehte sich um. Sara stieß ihn grob weg. Matt hob abwehrend die Arme. Er wusste nicht, was er sagen sollte. Sara hatte ihn noch nie so angeschrien, er war von ihrem Verhalten völlig überrumpelt und schüttelte nur irritiert den Kopf. Sara fing an zu weinen, Matt ging auf sie zu. „Ganz ruhig, was ist denn los?“ fragte er besorgt. Er hielt sie an den Schultern fest und schaute ihr direkt in die Augen. Sara war immer noch aufgebracht. „Du verdammter...“ Tränen liefen ihre Wangen runter, während sie mit ihren Fäusten gegen seine Brust hämmerte. „Es wurde eine Leiche gefunden. Ein kleiner Junge.“ Matt sah sie entsetzt an. „Wie bitte? Ist es...?“ Sara weinte weiter. „Wir wissen es nicht. Ich hab die ganze Zeit versucht, dich zu erreichen“, stammelte sie. „Er lag im Wasser. Längere Zeit. Er wurde von den Tieren übel zugerichtet.“ Sie konnte kaum sprechen und weinte immer heftiger. „Eine Identifizierung ist nur noch über die DNA möglich. Sie sind gerade dabei.“ Sie lehnte ihren Kopf an seine Brust. „Wir brauchen Noahs Zahnbürste“, flüsterte sie. Matt strich ihr übers Haar und drückte sie. „Es tut mir leid, Sara. Es tut mir so leid. Jetzt bin ich ja da.“ Matt war kreidebleich.
Kapitel 42
Sara und Matt fuhren ins Gebäude des San Diego County Medical Examiner . Genaugenommen in die Gerichtsmedizin, wo die Obduktion durchgeführt wurde. Das kriminaltechnische Labor befand sich im Nordflügel des Polizeireviers. Sie sprachen kein Wort auf der Fahrt, im Bewusstsein der Dinge, die unausgesprochen waren. Matts Augen schienen ins Leere zu starren. Auf dem Weg fing es an zu regnen und die dunklen Gewitterwolken hatten die Stadt fest im Griff. Die Luft wurde mit dicken silbrigen Regentropfen erfüllt, die in Massen auf das Auto
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