Verschlüsselte Wahrheit - Inspektor Rebus 05
fort, »war da außerdem noch DC Clarke. Die beiden kamen prächtig miteinander aus. Waren Sie vielleicht eifersüchtig? Immer ein gutes Motiv.«
»Ich kann es nicht fassen.«
Rebus ignorierte ihre Worte. »Und natürlich das offenkundigste Motiv. Sie beide haben sich seit längerem darüber gestritten, ob Sie Kinder haben wollten oder nicht. Das und die Tatsache, dass er zu viel arbeitete und sich nicht genügend um Sie kümmerte.«
»Hat er Ihnen das gesagt?«
Rebus klang nicht unfreundlich. »Sie haben mir selbst erzählt, dass Sie sich an dem Abend gestritten hatten. Und Sie wussten, wo er hinging — da, wo er immer hinging. Also warum nicht neben seinem Auto warten und ihm den Schädel einschlagen, wenn er rauskam? Eine hübsche kleine Rache.« Rebus hielt inne. »Wie viele Motive waren das? Ich hab den Überblick verloren. Jedenfalls genug, oder?«
»Ich kann es nicht fassen.« Tränen stiegen ihr in die Augen. Mit jedem Blinzeln wurden es mehr. Sie wischte sich mit Daumen und Zeigefinger die Nase ab und atmete geräuschvoll ein. »Was werden Sie jetzt tun?«, wollte sie schließlich wissen.
»Ich werde Ihnen ein Taschentuch leihen«, antwortete Rebus.
»Ich will Ihr Scheißtaschentuch nicht!«
Rebus legte einen Finger auf seine Lippen. »Wir sind doch hier in einer Bibliothek!«
Schniefend wischte sie sich die Tränen weg.
»Nell«, sagte er mit ruhiger Stimme, »Sie brauchen nichts zu sagen. Ich will es gar nicht wissen. Ich wollte nur, dass Sie es wissen. Okay?«
»Sie halten sich ja für ganz schön clever.«
Er zuckte die Schultern. »Das Angebot mit dem Taschentuch gilt noch.«
»Verschwinden Sie.«
»Wollen Sie wirklich, dass Brian bei der Polizei aufhört?«
Doch sie ging bereits mit erhobenem Kopf davon. Er beobachtete, wie sie hinter die Theke trat, wo ihre Kollegin sofort bemerkte, dass etwas nicht stimmte, und tröstend einen Arm um sie legte. Rebus betrachtete die Bücher in den Regalen vor ihm, fand jedoch nichts, das ihn dazu hätte bewegen können, noch länger zu bleiben.
Er saß auf einer Bank in den Meadows, die Hinterseite der Bibliothek im Rücken. Die Hände in den Taschen sah er einem improvisierten Fußballspiel zu. Acht Männer gegen sieben. Sie hatten ihn bereits gefragt, ob er mitmachen wolle, sie brauchten noch einen Mann.
»Ihr müsst ja echt verzweifelt sein«, hatte er kopfschüttelnd geantwortet. Als Torpfosten dienten ein orange und weiß gestreifter Pylon, ein Haufen Mäntel, ein Haufen Ordner und Bücher sowie ein in den Boden gerammter Ast. Rebus sah häufiger als nötig auf die Uhr. Auf dem Spielfeld machte sich niemand sonderlich Gedanken darüber, wie lange die erste Halbzeit dauern sollte. Zwei von den Spielern sahen aus wie Brüder, obwohl sie jeweils in der gegnerischen Mannschaft spielten. Mickey war am Morgen ausgezogen und hatte das Foto von ihrem Vater und Onkel Jimmy mitgenommen.
»Als Erinnerung«, hatte er gesagt.
Eine Frau im Burberry-Trenchcoat setzte sich neben ihn auf die Bank.
»Sind die gut?«, fragte sie.
»Sie würden es den Hibs ganz schön zeigen.«
»Und was bedeutet das?«, wollte sie wissen.
Rebus wandte sich zu Dr. Patience Aitken, lächelte und nahm ihre Hand. »Wieso bist du so spät dran?«
»Das Übliche«, antwortete sie. »Die Arbeit.«
»Ich hab so oft versucht, bei dir anzurufen.«
»Dann sorg jetzt dafür, dass ich mir keine Gedanken mehr machen muss«, sagte sie.
»Wie?«
Sie rückte näher an ihn heran. »Sag mir, dass ich nicht nur eine Nummer in deinem kleinen schwarzen Buch bin …«
ENDE!
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