Verschollen am Mount McKinley - Alaska Wilderness ; 1
den sie von ihrem Vater zum Geburtstag bekommen hatte.
»Du könntest dich ruhig mal als Dame verkleiden«, sagte er manchmal, obwohl er anderen gegenüber stets ihren frischen Teint und ihre ungezwungene Art betonte und sogar damit angab, dass sie in einem der größten und schönsten Nationalparks arbeiten würde. Eigentlich hatte er sich gewünscht, sie würde in seine Fußstapfen treten und Ärztin oder wenigstens Krankenschwester werden, aber ihr reichten die Erzählungen ihres Vaters und ihrer Mutter, die ebenfalls Ärztin war und sich vor drei Jahren mit einem anderen Mann nach Kalifornien abgesetzt hatte. Ihr Vater hatte kaum darunter gelitten. Er war sowieso mit seinem Krankenhaus verheiratet und so selten zu Hause, dass die Scheidung kaum einen Unterschied für ihn gemacht hatte.
»Ich kann leider nicht«, erwiderte sie nach einer längeren Pause. »Wie gesagt, ich fange morgen mit meinem Praktikum an und muss schon um sieben Uhr früh beim Superintendent auf der Matte stehen. Der hat das Sagen im Park. Würde keinen guten Eindruck machen, wenn ich dort verschlafen auftauche oder zu spät komme.«
Was würde es auch für einen Sinn machen, ausgerechnet am letzten Abend mit einem jungen Mann auszugehen, den sie danach wahrscheinlich nie wiedersehen würde. Bis zum Denali National Park waren es über hundert Meilen, und bei ihrem Vorstellungsgespräch hatte sie von einer Rangerin erfahren, dass man im Winter höchstens alle vier Wochen nach Fairbanks fuhr. Und die Zeit würde sie zum Einkaufen und einem Besuch bei ihrem Vater nutzen müssen. Da blieb wenig Zeit für eine Beziehung. Der Superintendent hatte nicht umsonst gefragt, ob sie vergeben war, und zufrieden gegrinst, als sie verneint hatte. »Wenn Sie es zu etwas bringen wollen, würde ich mich in nächster Zeit ganz auf meine Arbeit konzentrieren. Ich hatte im Sommer schon zwei junge Leute zu einem Praktikum hier und kann wahrscheinlich nur eine, höchstens zwei feste Anstellungen vergeben. Strengen Sie sich an, junge Dame, und blicken Sie nur nach vorn!«
»Eine Stunde wirst du doch erübrigen können«, ließ Josh nicht locker. »Oder willst du, dass ich ewig in deiner Schuld stehe? Denk mal daran, was deine Freundinnen für Augen machen werden, wenn du ihnen erzählst, dass du mit einem Champion zum Essen warst. Wer kann das schon von sich sagen?«
Es war wohl dieser Satz, der sie auf fatale Weise an einen Spruch des Eishockey-Captains erinnerte, und sein arrogantes Grinsen, das sie bewog, endgültig Nein zu sagen. Er empfand sicher nur Mitleid für sie. So wie sie angezogen und gestylt war, konnte sie keinem jungen Mann gefallen. »Außerdem hab ich meine Haare nicht gemacht«, sagte sie. »Und ich muss noch meinen Koffer packen und die Hunde füttern … nein, es geht wirklich nicht, Josh.«
»Schade«, erwiderte er, »ich hätte mich gern revanchiert.«
»Vielleicht ein anderes Mal.«
»Du meinst, ich kann dich im Nationalpark besuchen?«
»Aber nur an meinen freien Tagen«, sagte sie. Der kommt sowieso nicht, dachte sie insgeheim. Sobald er um die nächste Biegung ist, hat er mich schon wieder vergessen. Und ich ihn auch, fügte sie beinahe trotzig hinzu. Wenn ich mit ihm was anfange, hätte ich mich auch auf den Eishockey-Captain einlassen können. Ein schnelles Abenteuer mit so einem muss ich mir nicht geben.
»Dann wünsche ich dir viel Glück, Julie«, riss Josh sie aus ihren Gedanken. »Ich bin gespannt, wie dir die Uniform steht. Wirst du auch einen von diesen breitkrempigen Hüten tragen?«
»Der gehört zur Uniform dazu. Auf Wiedersehen, Josh!«
Josh stieg auf seinen Schlitten. Nachdem er den Anker aus dem Schnee gezogen hatte, blickte er sie noch einmal an, und sie glaubte trotz der Dunkelheit so etwas wie verletzte Eitelkeit in seinem Blick zu erkennen. Oder bedauerte er tatsächlich, sie nicht zum Essen ausführen zu können? Vielleicht hatte sie sich in dem jungen Mann getäuscht, und er mochte sie tatsächlich.
Sie löste ebenfalls den Anker und trieb ihre Hunde an. Ohne Hast lenkte sie den Schlitten weiter nach Osten. Sie wohnte in der Guest Lodge von Queen Elizabeth, wie fast jeder die Besitzerin wegen ihres Namens und ihres stattlichen Auftretens nannte, hatte dort ein Vierteljahr als Mädchen für alles gearbeitet und neben freier Kost und Unterkunft noch ausreichend Hundefutter für ihre Huskys bekommen. Ihren Vater fragte sie ungern nach Geld.
Während die Hunde gemächlich den Spuren anderer Gespanne folgten,
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