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Versehentlich verliebt (German Edition)

Versehentlich verliebt (German Edition)

Titel: Versehentlich verliebt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adriana Popescu
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wartet, scheint sich das Blatt zu wenden und ich werde zu einer grandiosen Schätzerin.
    Vielen Dank auch, liebes Schicksal. Manchmal wünschte ich wirklich, mein Schicksalsbeauftragter hätte eine E-Mail- Adresse, damit ich meine Beschwerden direkt an ihn senden könnte. Wieso schätze ich nie meinen Kontostand am Ende des Monats richtig ein? Dann muss ich wieder das Sparschwein plündern, um dem Sushi-Lieferanten den Betrag bar auszuzahlen, weil mein Konto mal wieder überzogen ist. Ich schätze mal, mein Schicksalsbeauftragter macht das einfach gerne mit mir. Vermutlich wollte er mal Drehbuchautor für eine mittelmäßige deutsche Soap werden – und jetzt tobt er sich eben in meinem Leben aus. Schönen Dank!
    Als meine Mutter mir vor zwei Monaten eröffnet hatte, dass sogar mein Bruder mit seiner neuen Frau (ich nenne sie liebevoll „das Tier“) kommen würde, hatte ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als an Weihnachten einfach krank im Bett zu liegen und eine geniale Ausrede für meine Absage zu haben. Aber man gewöhnt sich ja schließlich an alles. So habe ich mich mit dem Gedanken abgefunden, neben einer zwei Meter Frau mit der Figur eines Profi-Boxers zu sitzen, und mir derbe Witze und feste Schläge auf den Rücken antun zu müssen (und zwar immer dann, wenn sie einen ihrer Witze übermäßig gut findet – also immer). Und ganz nebenbei verschwindet auch noch der Löwenanteil des Rehbratens, den meine Mutter zubereitet hat, auf ihrem Teller.
    Vor einigen Jahren wußte sie nicht einmal, dass man Reh essen kann, und zeigte ernsthafte Wissenslücken im Fachbereich Biologie auf. „Rehe … “ (ich zitiere sie hier wörtlich!) „ … das sind doch diese Pferde mit Geweih.“ Der niedliche Versuch meines Bruders, es am Beispiel von Bambi etwas zu verdeutlichen, scheiterte kläglich. Wie dem auch sei, jetzt stehe ich hier auf dem Stuttgarter Flughafen und wünsche mir nichts sehnlicher, als bei meiner Familie zu sein. Ich hatte schon ein mieses Gefühl, als mein Chef in mein Büro gestürmt kam und mir freudig mitteilte, dass ich diesmal die Delegation aus Australien zu einer kleinen Stadtrundfahrt durch Stuttgart begrüßen durfte.
    „Pippa, es wird Zeit, Ihnen endlich mehr zuzutrauen!“
    Pippa, das bin ich: Philippa Wunsch. Neunundzwanzig Jahre alt, Redakteurin für Reiseführer.
    Ich arbeite seit vier Jahren in der Firma und noch nie durfte ich irgendeine Aufgabe übernehmen, die Besuch von unseren Arbeitgebern betraf. Für gewöhnlich wurde mein Kollege Hannes geschickt, dessen Englisch so gut war wie mein Schätzvermögen. Ich nehme an, ich habe mich klar ausgedrückt.
    Und also sagte dann mein Chef:
    „Alle anderen haben ja Familie oder Partner, die können da nicht weg. Aber ich dachte Sie, als Single, Sie machen das bestimmt gerne.“
    Er musste mich ja nicht bei jeder Gelegenheit an meinen Familienstand – ledig – erinnern. Ich wußte auch so, dass Benny nicht mehr da war.
    Also fuhr ich, Single-Dame ohne feste Bindung, Kinder oder Haustiere, von Freiburg nach Stuttgart, wo ich die Herrschaften zwei Tage lang durch die Schwabenmetropole geleitete, und dabei Lob und sogar Anerkennung, sowie einige Telefonnummern abbekam. Während die Surferjungs inzwischen auf dem Weg nach London waren, saß ich hier fest. Seit Stunden. Und die Flocken vor den großen Glasfenstern wurden immer größer und dicker. So sieht es aus, wenn der Himmel mal zeigt, was er so kann. Offenbar hat er heute einen extrem großzügigen Tag, was Schneeflocken angeht. Nichts geht mehr, zumindest wird das hier gemunkelt; und auch meine Frage, ob ich vielleicht mit dem Zug nach Freiburg in meine kuschelige Ein-Zimmer-Wohnung kommen könnte, wurde mit dieser Auskunft beantwortet: „Auf den Schienen sieht es noch schlimmer aus.“
    Also sitze ich hier auf meiner Reisetasche, weil Bing Crosby uns die Flausen in den Kopf gesetzt hat, dass es an Weihnachten schneien muss. Ehrlich, das ist doch schwachsinnig. Wie viele Menschen wohl auf den Kontinenten der südlichen Hemisphäre leben? Ich schätze mal so … nein, besser nicht. Aber es sind bestimmt viele. Und die feiern alle am Strand in kurzen Hosen und mit einem kühlen Bier in der Hand. Wie um alles in der Welt kann dann ein Song über Schnee an Weihnachten ein Welthit werden? Zumindest habe ich dieses Schicksal, hier für eine kleine Weile mit einer ganzen Gruppe anderer Menschen festzusetzen. Zahllose Gestrandete fluchen und schimpfen, ebenso wie ich. Hektisch ziehen Familien

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