Versehentlich verliebt (German Edition)
von einem Schalter zum nächsten, Kinder weinen, Paare streiten sich, Manager versuchen die Flugbegleiterinnen abzuchecken. Fast alles wie immer. Scheinbar bin ich eine der wenigen Single-Ausnahmen. Ich sitze auf meiner Reisetasche, während mein Blick auf die Anzeigentafel über unseren Köpfen geheftet ist. Aber es verändert sich nichts. Ich könnte also auch aufstehen und mir irgendwo ein Brötchen und einen Kaffee holen, aber das ist ein kleines und sehr schweres Problem.
Ich bin eine Frau. Und wir Frauen packen eben nun mal zu viel ein. Viel zu viel, um genau zu sein. Aber ich habe es mir zur Aufgabe gemacht, die Reißfestigkeit dieser Sporttasche einer anerkannten Sportfirma zu testen. Und zwar bis zum Limit. Auf dem Weg hierher habe ich schon den Verlust eines Tragegurts bedauern müssen. Nach den Feiertagen werde ich ein Beschwerdeschreiben an besagte Firma schicken. Wenn ich jetzt aufstehe und diese Tasche mit mir nehmen will, dann brauche ich einen starken Mann oder einen Gepäckwagen – oder beides.
Fälschlicherweise hatte ich angenommen, dieses Jahr wäre mir zum Abschied freundlich gesonnen, deswegen habe ich meinen Gepäckwagen schon abgestellt. Woher sollte ich auch wissen, dass ich so viel Zeit hier verbringen würde? Und mich dabei auch noch bewegen muss! Wieso packen wir Frauen nur so viel ein? Klar, Sie wissen schon, man weiß ja nie was passieren wird – deswegen ist es immer besser, für alle möglichen und unmöglichen Zwischenfälle Massen an Klamotten in der Tasche zu haben. Aber ich habe es übertrieben. Ich gebe es zu. In solchen Momenten wünsche ich mir nichts mehr, als nur einen Kulturbeutel tragen zu müssen. So wie die Männer. Was packen die schon groß ein? Zwei Unterhosen (wenn wir Glück haben!) und eine Zahnbürste. Klar, sie sehen in den Klamotten von gestern ja auch am Tag darauf noch unverschämt sexy aus – denken sie. Während es bei uns Frauen als Hygienemangel angesehen wird, wenn wir am nächsten Tag den gleichen Lippenstift auftragen wollen. Mein Tag hat heute um fünf Uhr morgens angefangen. Das ist die Zeit, zu der ich mich für gewöhnlich gerade mal auf die andere Seite drehe, wenn ich mich überhaupt bewege. Ich bin also schlecht gelaunt und muss meinen Eltern sagen, dass sie mein Zimmer an meinen Bruder und das Tier vergeben können. Während alle den Pferd-mit-Geweih-Braten meiner Mutter genießen dürfen, werde ich in Stuttgart sein – alleine. Wieso? Weil es immer noch schneit. Und Benny den wachsenden Babybauch seiner Verlobten Theresa streichelt. Ich hasse Weihnachten.
Es ist wirklich tröstend zu sehen, dass ich in so einem Moment nicht alleine bin – aber können sich diese Menschen bitte nicht alle zeitgleich vor den wenigen Telefonzellen herumdrücken? Schließlich muss ich meine Mutter anrufen. Im Zeitalter des iPhone 5 sollte man doch annehmen, dass Telefonzellen ausgestorben sind, und höchstens noch den Kids der 90er Jahre ein Begriff sind. Also jemandem wie mir. Aber das Bild der Menschen die sich um die kleinen Zellen drängeln, in der Hoffnung, den Kampf zu gewinnen, erinnert mich an eine Schlachtenszene aus Spartacus. Allerdings mit weniger Blut. Ich wühle kurz unter meiner dicken Jacke und ziehe mein iPhone aus der Tasche. Ja liebe Leute – auch wenn ich in den 80er Jahren geboren bin, kann ich dennoch ein Touchscreen-Handy bedienen. Fast überheblich und mit übergroßer Geste will ich die Nummer meiner Eltern wählen … Was? Kein Empfang? Das muss ein schlechter Scherz sein. Aber dann begreife ich auch, wieso all diese Menschen, die auch alle über ein Handy verfügen, hier sind – und warum sie nicht ihr zigarettenpäkchengroßes Handy ans Ohr halten.
„Verzeihung.“
Ein Kerl schiebt sich an mir vorbei und rempelt mich dabei an. Ja, bin ich denn in den letzten paar Sekunden plötzlich unsichtbar geworden? Und was ist das? Ein junger, dynamischer Mann (mit einem ganz süßen Hintern, wie mir auffällt), schiebt eine leicht aussehende Sporttasche auf einem Gepäckwagen vor sich her. Ich hingegen schleppe mich mit Bleigewichten auf einer Schulter durch die Gegend? Hey, dieser Wagen sollte mir gehören! Mir – und nicht diesem Kerl in der braunen Feinkordjacke mit dem falschen Fell am Kragen. Sofort werden Erinnerungen an meinen Jugendschwarm wach. Jordan Catalano, gespielt von Jared Leto, in der unverwechselbaren TV-Serie Willkommen im Leben. Wie gefesselt saß ich vor dem Fernseher und habe mit Angela Chase gelitten, gelacht
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