Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
kommen und entweder einen Beweis dafür verlangen, dass Shelly noch atmete, oder sie mitnehmen.
Die Leichenwagen rückten näher.
»Danke, Bill.« Ich schloss die Tür.
Zeit abzuhauen.
Ich barg Shelly in meinen Armen, überzeugte mich davon, dass niemand auf dem Gang war, und schlich über die Hintertreppe nach unten. Bei der Gasse angelangt, trug ich sie an der Rückseite des Hauses vorbei und mitten durch das angrenzende kleine Feld.
Ich schwitzte, zitterte, fühlte mich wie ein Strafgefangener, der in Sing-Sing gerade über die Mauer geflohen ist. Shelly war federleicht, ich hätte ihr Gewicht viele Meilen tragen können.
Fast hatte ich das andere Ende des Feldes erreicht, da brüllte jemand: »Drüben! Dort drüben ist er!«
Während sie auf mich zukamen, rannte ich weiter. Ich wählte eine Abkürzung durch ein kleines Dickicht und blieb mit dem Leichentuch an den Dornen von Brombeerbüschen hängen, doch ich kämpfte mich mit zerkratzten Händen und zerkratztem Gesicht hindurch. Als ich einmal hinfiel, stand ich gleich wieder auf und hastete weiter, hinaus aus dem Gestrüpp. Nur um festzustellen, dass sich mir Männer in weißen Schutzanzügen näherten und Lastwagen die Straße mit aufgeblendeten Scheinwerfern absuchten.
Ich saß in der Falle.
Ich versuchte hierhin und dorthin auszuweichen, aber das nützte mir nichts. Die Lastwagen kamen immer näher, genau wie die mit Taschenlampen ausgerüsteten Männer, die bereits das Dickicht durchquerten. Sie waren überall. Ich konnte nirgendwohin fliehen.
All das kam mir völlig surreal vor: Die Männer, die mich verfolgten. Die Taschenlampen. Die Lastwagen. Der Gestank des Todes, der aus der Gosse stieg. Die trägen Nebelschwaden, die sich über den Fluss wälzten. Die Sterne über mir, ausgelöscht von einem riesigen Schmutzfleck: Das war der schwarze Rauch, der von den Leichengruben außerhalb der Stadt aufstieg, wo sie die Toten verbrannten.
Als ich wie ein Wilder auf die Straße stürmte, hätte einer der Lastwagen mich fast überfahren. Jemand gab Warnschüsse ab, Kugeln schwirrten durch die Luft. Gleich darauf erfassten mich Scheinwerfer, die mich so blendeten, dass ich wie angewurzelt auf dem feuchten Straßenpflaster stehen blieb.
Ein Lastwagen bremste ab und hielt direkt vor mir. Während ich brüllend um mich schlug und meine Hände wie Klauen einsetzte, packten mich vier Männer in nicht mehr ganz sauberen Schutzanzügen, die nach den Überresten der Toten stanken. Ich schrie sie an, doch sofort zog einer mir einen Gewehrkolben über die Schläfe, sodass ich der Länge nach hinfiel und alle viere von mir streckte. Kurz verlor ich das Bewusstsein, rappelte mich jedoch schnell wieder hoch, bahnte mir gewaltsam den Weg durch die Gruppe der Männer, teilte Schläge aus und steckte Schläge ein, bis es mir gelang, meine Verfolger zur Seite zu stoßen.
Als ich das hintere Ende der Ladefläche erreichte, entdeckte ich Shelly da oben auf einem Berg verwesender Leichen. Ihr Leichentuch hatte sich gelöst, sodass ein kreidebleicher Arm hinunterbaumelte. Ich roch die Fäulnis und hörte die Fleischfliegen summen. Manche der verwesenden Leichen waren bereits grünlich verfärbt und wimmelten vor Würmern.
Shelly. Oh mein Gott. Shelly.
Die Männer griffen nach mir, aber ich rastete so aus, trat und schlug so heftig um mich, dass sie mich losließen.
Sie wichen zurück. Offenbar wollten sie nicht riskieren, dass ihre verdreckten Schutzanzüge im Handgemenge Risse bekamen.
Niemand verfolgte mich, als ich zu dem Leichenberg hinaufkletterte. Ich schwitzte und blutete, in meinem Kopf pochte es, als schlüge dort eine Trommel, in meinem Gehirn spukten düstere Bilder und brüllende Stimmen herum. Was ich tat, war der helle Wahnsinn, doch ich konnte Shelly einfach nicht da oben liegen lassen. Nicht bei den anderen, nicht bei diesen Toten . Und es lagen Dutzende von ihnen hinten auf dem Müllwagen. Eine einzige riesige Masse bebenden Aases, von grässlichen Kreaturen befallen, die sich in dieser Masse wanden und darin herumkrochen.
Als ich versuchte, bis nach oben zu steigen, versanken meine Hände in schwammigen Bäuchen, aus denen Wolken gelblichen Leichengases drangen. Ich musste würgen. Doch vor Kummer wie von Sinnen krabbelte ich weiter nach oben, mitten durch diesen übel riechenden Berg der Verwesung. Wie durch Brei drangen meine Finger tief in Gesichter ein und kratzten über jede Menge Schädel.
Und dann, nur noch wenige Zentimeter von Shellys
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