Verseucht - Endzeit-Thriller (German Edition)
Jahre zu viel geraucht. Mehr ist es nicht.«
Doch ich glaubte ihm nicht. Sein Husten. Seine Schwäche. Das fleckige Gesicht. Nein, da war etwas ganz anderes im Gange. Und es hatte ihn voll erwischt.
»Rick, hau endlich ab, verdammt«, sagte er und rappelte sich mühsam hoch, bis er wieder aufrecht dastand. Doch das strengte ihn so an, dass er keuchte. »Ellen und ich ... lieber Herr Jesus ... wir haben dich und Shelly über alles geliebt. Hatten ja keine eigenen Kinder. Und ich dachte immer, sie wären vielleicht so wie ihr beide geworden, hätten wir welche bekommen. Also tu einem alten Mann einen Gefallen und verschwinde aus der Stadt.«
»Bill, ich ...«
»Bitte, Rick.«
Jetzt gab es keinen Zweifel mehr: Bill Hermes litt an der Strahlenkrankheit.
Eine Woche später war er tot.
6
Bill Hermes war ein guter Mensch gewesen. Ein weiser Mann, durch die Jahre und Erfahrungen gereift. Doch befolgte ich seinen Rat? Natürlich nicht. Ich blieb – wider jede Vernunft.
Die Beschaffung von Wasser und Lebensmitteln warf die größten Probleme auf. Wochenlang hatte ich mich fast nur damit beschäftigt, Shelly zu pflegen, und deshalb alles andere vernachlässigt. Schmalhans war bei mir Küchenmeister, wie man früher sagte. Also tat ich es den Ratten nach und suchte die Straßen nach Essbarem ab.
Als Shellys Verfall begann, hatte die Stadt noch mehrere Hilfsstationen betrieben, in denen man sich frisches Wasser, Lebensmittel und Arzneien besorgen konnte. Aber in den vielen Wochen, die seit Shellys Erkrankung vergangen waren, hatte man sie alle geschlossen und mit Brettern vernagelt. Bis auf die Armee, die da draußen noch Patrouille ging, herrschte kaum noch irgendeine Art von öffentlicher Ordnung. Die Regierung des Bundesstaats und die Stadtverwaltung hatten in so gut wie jedem Bereich die Arbeit eingestellt oder einstellen müssen.
Also ging ich mit gezückter Waffe auf Jagd.
Und wurde meinerseits gejagt.
Ich besaß eine 9-Millimeter-Browning Hi-Power, die ich aus Bill Hermes’ Wohnung hatte mitgehen lassen. Noch nie in meinem Leben hatte ich einen Menschen getötet und wollte es eigentlich auch nie, aber ich wusste, dass diese Zeit kommen würde. Bislang hatte ich lediglich ein paar Kugeln über die Köpfe einiger Rowdys schwirren lassen – zur Abschreckung, weil sie mich verfolgten.
Drei oder vier Tage nach Bills Tod kam mir ein alter Mann auf der Straße entgegen und wollte eine Zigarette schnorren. Der arme alte Sack litt offensichtlich an akuter Strahlenkrankheit: Alle Zähne und die Haare waren ihm ausgefallen und sein Gesicht war mit Geschwüren übersät.
Da ich kein Risiko eingehen wollte – schließlich starben zu dieser Zeit Tausende an ansteckenden Krankheiten –, hielt ich ihm die Waffe vors Gesicht und befahl ihm, Abstand zu halten. Ich hatte wirklich schreckliche Angst vor all den hässlichen Bazillen, die in der Stadt herumwimmelten, und vor dem, was sie anrichten konnten. Die Strahlung stellte irgendwas mit diesen Bazillen an, machte sie größer, bösartiger, aggressiver. Manche hatten sich zwar nicht verändert, doch andere waren viel tödlicher als früher. Und ich war ja bereits der Cholera und weiß Gott was für Krankheiten ausgesetzt gewesen. Auch meine Nummer würde bald gezogen werden.
Der alte Mann versuchte zu lächeln. »Will ja nur ’ne Zigarette. Sonst nichts.« Er bekam einen Hustenanfall und spuckte Blut und Schleim auf den Gehweg. »Gib mir eine, mein Freund. Wenn du mir eine gibst, sag ich dir, wo du was zu essen findest. Ich hab nur noch einen Tag, höchstens zwei. Mir nützt das Essen nichts mehr.«
Ich warf ihm eine Packung Zigaretten und eine Streichholzschachtel hinüber. »Die kannst du behalten. Hab noch mehr.«
Er wirkte wie kurz vor einem Orgasmus, als er die Zigarette rauchte. So ist das nun mal, wenn man süchtig ist. Ich kannte das gut. Zwar hatte ich das Rauchen vor drei Jahren aufgegeben, aber nach dem Bombenhagel hatte ich es wegen all dem Stress wieder angefangen.
Nach ein paar Zügen verriet er mir, wo es einen Feinkostladen gab. »Die Konserven sind fast alle noch da. Kannst dich dort damit eindecken.«
Nachdem ich einige Straßen abgesucht hatte, fand ich die Hintertür des Feinkostladens, genau wie der Alte sie mir beschrieben hatte. Und genau wie er gesagt hatte, stapelten sich im Lager des Ladens viele Kisten mit Konserven und Trockenwaren. Ich kam mir vor wie ein Kind in einem Süßwarenladen, füllte meinen Seesack mit Pasta, Gemüse- und
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