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Versteckt wie Anne Frank

Versteckt wie Anne Frank

Titel: Versteckt wie Anne Frank Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Prins , Peter Henk Steenhuis
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ich, ich glaube ja sowieso nicht mehr daran.
    Von Onkel Kees und Tante Marie hörte ich nichts mehr. Es gab kein Telefon und zu Fuß war es zu weit. Das machte mich sehr unglücklich, ich hatte mir doch vorgenommen, für Tante Marie zu sorgen, bis das Baby da war. Was sollte denn nun werden? Erst zwei Monate nach der Geburt hörte ich, dass Inge da war. Für mich war sie meine neue Schwester.
    Mit meiner Mutter ging ich noch einmal zu unserem alten Haus in der Jekerstraat. Es war bewohnt. Meine Mutter sah auf dem Balkon an der Straßenseite unsere Sonnenmarkise, die meine Eltern dort hatten anbringen lassen. Meine Mutter wollte sie gern für die neue Wohnung haben. Wir klingelten an, um danach zu fragen. Das Haus war leer geräumt bis auf ein Gemälde über dem Kamin. »Mama!«, rief ich, »da hängt unser Bild!« Die Bewohner rückten es nicht heraus. Das Haus war ihnen zugewiesen worden, mit allem Drum und Dran – auch die Markise bekamen wir nicht zurück.
    Ich habe lange nach meinem Nachbarsjungen Sjeetje von gegenüber gesucht, aber er ist nicht zurückgekommen. Ebenso wenig wie meine Großeltern und sieben Geschwister meiner Mutter, denen mein Vater am Anfang des Krieges eine Untertauchadresse besorgt hatte.
    1 Alle fett gedruckten Begriffe werden im Glossar erklärt.

Drei Klaviere

    Jaap Sitters,
geboren in Naarden am 29. März 1934
    Vor dem Krieg durfte ich am Sonntag immer mit meinem Vater zum Fußballverein. Wir saßen dann an der Mittellinie, ich auf dem Rasen und er auf einem grünen Erste-Hilfe-Koffer, immer bereit verwundete Spieler zu verarzten. »Schneller! Schneller!«, jubelte das Publikum, wenn mein Vater auf das Spielfeld rannte.
    Nach Kriegsausbruch trug er den Erste-Hilfe-Koffer den ganzen Tag bei sich. Vater war wichtig: Er war Mitglied beim Roten Kreuz und fuhr in einem neuen Opel herum, durch das offene Dach ragte eine Krankenliege schräg heraus. Kurz nachdem die Niederlande kapituliert hatten, kam Vater ohne Auto nach Hause. Die Deutschen hatten es beschlagnahmt.
    Zum Fußball gingen wir von nun an nicht mehr. Aber genau wie vor dem Krieg spielte ich noch mit Jopie Hoefnagel, der um die Ecke wohnte. Er war ein paar Jahre älter als ich. Erst tranken wir Tee mit seiner Mutter und danach gingen wir zu unserem geheimen Ort im Garten.
    Eines Nachmittags saßen wir wieder dort, als er sagte: »Du musst von der Schule runter, denn du bist ein Jude.« Erstaunt sah ich ihn an, ich hatte keine Ahnung, was er meinte. Ich wollte gerade nachfragen, als er mir eine feste Ohrfeige gab – einfach so. Mir wurde schwindlig, ich verstand überhaupt nichts mehr. Vor Schreck und Schmerz wie betäubt rannte ich weg. Zu Hause fing ich an zu weinen. Mutter tröstete mich und erzählte mir, Jopies Eltern seien Mitglieder der NSB und wir seien Juden. Danach spielte ich nie mehr mit Jopie.
    Im September 1941 bekam Jopie Recht. Alle jüdischen Kinder mussten zu gesonderten Schulen. Ein Bekannter meiner Eltern, Onkel IJs, gründete eine kleine Schule in einer alten Villa.
    Schüler aller Altersgruppen saßen dort querbeet durcheinander. Die Stimmung war gut. Leider war es nicht von langer Dauer. Onkel IJ s erzählte, alle Juden müssten bald umziehen: »Die Deutschen schicken einem dann einen Brief mit der Adresse, zu der man muss. Und dann wird unsere Schule geschlossen.«
    Eines Morgens kam tatsächlich ein solcher Brief. Meine Mutter erzählte meiner Schwester Jetty und mir, wir müssten alle zusammen nach Amsterdam. Wir fuhren mit dem Zug, jeder einen Koffer in der Hand.
    Noch am selben Abend steckte mein Vater den Schlüssel in die Haustür einer fremden Wohnung in der Amsterdamer Volkerakstraat. Es war eine nette Gegend mit vielen jüdischen Kindern, die auch erst gerade dorthin gezogen waren. Ich fand sofort Freunde. Und wir brauchten nicht mal zur Schule.
    Nach ein paar Monaten kam wieder ein Brief. Abermals mussten wir umziehen. Unsere nächste Wohnung lag genau gegenüber der Garage der deutschen Polizei. Tag und Nacht fuhren Laster und Pritschenwagen mit brüllenden Deutschen an und ab. Ich konnte nur mit einer Decke über dem Kopf schlafen. Zunächst wusste ich nicht, dass sie jeden Tag Juden jagten und sie in der Hollandsche Schouwburg zusammentrieben, um sie anschließend in die Konzentrationslager zu schicken.
    Mein Vater war Optimist. Er hatte eine Stelle beim Sozialministerium, wodurch er sich Papiere mit einem bestimmten Stempel hatte besorgen können, eine Sperre . »Dieser Stempel schützt

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