Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)
Wiedersehen, Herr Zieliński.«
Der alte Mann reagierte nicht.
»Danke«, sagte sie zu Krajewski. »Sein Sohn wird mich als Anwältin bestimmen und wahrscheinlich auch die gesetzliche Vertretung übernehmen. Bitte informieren Sie mich, falls er noch etwas zu den Vorfällen auf dem Friedhof sagt.« Sie wandte sich an Marek. »Gleich wird jemand kommen und Sie ins Krankenhaus bringen. Dort sind Sie sicher und können sich ausruhen.«
»Wo ist mein Sohn?«
»Er ist inzwischen in Poznań entlassen worden und wird bald hier sein.«
Mareks dünne Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Krajewski begleitete sie noch hinaus, was Zuzanna zu schätzen wusste. Sie wäre ungern auf dem Parkplatz noch einmal Sinter in die Arme gelaufen. Doch der schwarze BMW war verschwunden. Erleichtert holte sie ihren Autoschlüssel aus der Handtasche.
»Passen Sie gut auf Herrn Zieliński auf. Ich glaube, es steckt wesentlich mehr dahinter als eine Geschichte aus alten Tagen.«
Der Kommissar blieb am Eingang stehen. Als sie sich zu ihm umwandte, um sich zu verabschieden, sagte er: »Geschichten aus alten Tagen haben eine lange Halbwertszeit.«
Sie wollte nicht fragen, aus welcher Gegend seine Familie stammte. Das wäre der Kürze und dem Grund ihrer Bekanntschaft nicht angemessen gewesen.
Ein Mann kam über den Parkplatz gerannt, hastig, mit fliegendem Mantel. Er stürmte die Treppe hoch, an ihnen vorbei, und noch bevor die Tür zufiel, hörten sie, wie er mit dem Pförtner sprach.
»Ich bin der Dolmetscher für Herrn Sinter. Ist er schon da?«
Krajewski, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, drehte sich flüchtig nach dem hektischen Mann um und zuckte gleichgültig mit den Schultern. Dann nickte er Zuzanna freundlich zu.
Sie eilte die Stufen hinunter zu ihrem Wagen.
29
Jacek wartete im Haus.
Ich hatte die Fahrt von Berlin nach Janekpolana in weniger als eineinhalb Stunden geschafft. Bestleistung. Die Strecke hatte mich abgelenkt, denn der neue Tatverdächtige war ebenso gut oder schlecht wie der alte. Ich wusste, dass mehr hinter dem Mordfall Schwerdtfeger steckte und dass eine ganze Menge Leute gerade hinter meinem Rücken dabei waren, den Verdacht ausschließlich auf einen hilflosen alten Mann zu lenken. Ich wusste nur nicht, warum.
Ein Anruf bei Zuzanna brachte auch keine Klarheit. Sie war verändert. Kooperativer. Vielleicht weil sie nicht mehr das Gefühl hatte, sich beweisen zu müssen. Ich ahnte, dass die Freilassung von Jacek sie im gleichen Maße erleichterte, wie sie die Festnahme von Marek besorgte. Dass sie allen Grund dazu hatte, war mir spätestens dann klar, als sie mir von ihrem Besuch auf der Kommandantur von Zielona Góra erzählte.
»Wir holen ihn da raus«, sagte ich, als sie fertig war.
Einen Moment blieb es still am anderen Ende der Leitung. Ich hatte wir gesagt. Das war eine Anmaßung. Ich konnte von Deutschland aus so gut wie gar nichts tun.
»Ja«, sagte sie. »Wir holen ihn da raus.«
Ich war so verblüfft, dass ich vergaß, mich von ihr zu verabschieden.
Jacek war nüchtern. Er saß in der Küche vor einem Glas Wasser, das ich im ersten Moment für Wodka hielt. Er stand auf, umarmte mich schweigend, drückte mich an sich, dass meine Knochen knackten, und ließ mich dann unvermittelt los. Er spülte ein zweites Glas ab und goss mir aus einer Karaffe ein. Auch Wasser. Gut. Wodka wäre im Moment äußerst kontraproduktiv gewesen.
»Wie geht es deinem Vater?«, fragte ich.
»Ich konnte ihn auf dem Weg hierher kurz sehen. Sie bringen ihn gerade in die Psychiatrie. Angeblich nur zur Beobachtung. Er wird nie wieder rauskommen. Das weiß ich.«
»Warum?«
»Weil sie ihn für gemeingefährlich halten.«
Ich wollte nicken, hielt mich jedoch gerade noch zurück. »Hast du eine Ahnung, wer Sinter informiert haben könnte?«
»Wen?«
»Den zweiten Anwalt, der bei ihm aufgetaucht ist und der ihn am liebsten gleich mitgenommen hätte. Doktor Cordt Sinter aus Berlin.«
»Sinter? Dieser Arsch?«
»Kennst du ihn?«, fragte ich verwundert.
Jacek stieß einen verächtlichen Laut aus. »Er sitzt in Berlin und Kraków, als selbsternannter Tempelritter, der die deutschen Ostgebiete zurückerobern will.«
»Ist das sein Ruf?«
»Ja. Und er hat ihn sich wirklich mit Fleiß verdient. Was wollte dieser Drecksack von meinem Vater?«
Offenbar war Jacek nicht auf dem Laufenden, oder Zuzanna hatte noch nicht mit ihm darüber gesprochen. Ich begann mit Horst Schwerdtfeger, der erst vor Kurzem herausgefunden
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