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Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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aus welcher Ecke ich kam, wurden seine Augen ganz groß. Johannishagen? Der Hagener Weinkeller? Die waren immer ganz enttäuscht, wenn ich erzählt habe, dass die Russen mit den Weinfässern das Gleiche gemacht haben wie im Winterpalast des Zaren neunzehnhundertsiebzehn. Alles gesoffen oder alles kaputt gemacht. Aber dann: Du hast einen Weinberg hinterm Haus? Mensch, mach was draus! Bau an! Leg los! Schlag Wurzeln! Genau das war es. Wurzeln schlagen in diese brache Erde, meine Erde. Mein Land. Trotzdem nicht vergessen, wie viele das vor mir schon getan haben und warum sie nicht mehr hier sind.«
    Sein Glas war leer. Er goss sich nach und hielt mir auffordernd die Flasche entgegen. Ich lehnte ab. Ich musste heute noch nach Berlin zurück. Er schenkte mir ein. Widerspruch war zwecklos.
    »Ein Winzer aus Andernach hat mir einen Kredit gegeben. Dreißigtausend Euro.«
    Ich verschluckte mich. »Wie viel?«
    »Dreißigtausend. Ist viel. Ja! Sehr viel. Du hättest es mir nicht gegeben, was?«
    »Ich … ich habe nicht so viel.«
    »Von dem Geld hab ich mir vor vier Jahren die Reben gekauft, dazu Fässer und Geräte und all das Zeug, das man so braucht. Jetzt, endlich, trägt es Früchte.«
    »Wollte Horst Schwerdtfeger bei dir einsteigen?«
    »Einsteigen? Du meinst einbrechen?«
    »Nein. In dein Geschäft einsteigen. Er hatte dreißigtausend Euro dabei. Die sind verschwunden.«
    Jaceks Augen wurden schmal. Er funkelte mich wütend an. »Also doch. Du hast mir nie geglaubt.«
    »Ich habe dir immer geglaubt, Jacek. Aber jetzt geht es statt dir deinem Vater an den Kragen. Also beantworte bitte meine Fragen und stell dich nicht an wie ein kleines Mädchen, das ich beim Pinkeln gestört habe! Wo ist das Geld?«
    »Ich habe es nicht.«
    »Aber du wusstest davon.«
    »Nein!«
    »Was ist passiert?«
    »Nichts. Erst mal nichts. Er ist von seiner Rumschnüffelei zurückgekommen und wollte ein Bier. Okay, kriegt er ein Bier. Mit Wein hatte er nichts am Hut, gar nichts. Dann wollte er sich das Haus und den Keller ansehen. Ich war fast schon so weit, es ihm zu erlauben, da kam mein Vater. Ich weiß noch, wir standen vorne am Eingang. Schwerdtfeger schwadronierte irgendwas, dass wir wohl jemanden brauchen, der uns unter die Arme greift. Ausgerechnet der. In dem Moment ist Marek aufgetaucht. Was dann passiert ist, verstehe ich bis heute nicht.«
    Jacek fuhr sich mit seinen Pranken durch die Haare.
    »Er war im Lager. So nenne ich den Raum gleich rechts, wenn du reinkommst. Da stapelt sich Zeug, das man vielleicht noch gebrauchen kann. Alte Türen und Fenster. Die muss man nur abschleifen und streichen, dann sehen sie wieder aus wie neu. Ich hab einfach keine Zeit dafür. Im Winter vielleicht. Jetzt bin ich im Weinberg. Das geht alles nicht so schnell. Deshalb habe ich die Sachen ins Trockene gebracht. Sobald die Lese vorbei ist, kümmere ich mich um den Kram.«
    Er grinste unsicher. »Okay, sag ich jedes Jahr. Aber dieses Mal mach ich es auch.«
    »Marek war also im Lager. Hier im Haus. Ist er da öfter?«
    Ich erinnerte mich an den Grund für Jaceks Verhaftung, seine Freilassung und die Festnahme seines Vaters. Jacek hatte sich am Sonntagmorgen im Beisein der Polizei das übergezogen, was irgendwo in der Diele an Anziehbarem herumlag. Leider hatte sein Vater genau diese blutbefleckte Kleidung in der Nacht getragen, in der er Schwerdtfeger erschlagen haben sollte. So schnell konnte eine angeblich hundertprozentige Indizienkette reißen – und sich dem Nächsten um den Hals legen.
    »In den letzten Jahren, ja. Kommt häufig vor. Er lebt noch im Kutscherhaus, aber er schläft hier. Irgendwie mag er das lieber. Ich glaube, er sucht meine Nähe. Hätte ich nie geglaubt. Wir waren nicht so eng. Aber das Alter verändert die Leute. Ja.«
    Er trank das Glas in einem Zug leer. Als er sich nachschenken wollte, bemerkte er, dass die Flasche leer war. Mit einem ärgerlichen Seufzen lehnte er sich zurück.
    »Ich hab ihm eine Matratze reingelegt. Er kann kommen und gehen, wann er will. Ihm gefällt das. Muss ihn an seine Jugend erinnern, auch alles drunter und drüber. Höhlen bauen. Wahrscheinlich ist es das. Seine Höhle. Hinter ein paar an die Wand gelehnten Türen.«
    »Was ist dann passiert?«
    »Dann? Ach so. Ja. Schwerdtfeger quatscht mir ein Ohr ab. Auf einmal steht mein Vater im Flur und starrt ihn an, als wär er der Leibhaftige. Zittert am ganzen Körper. Schreit: Weg, Verfluchter! Richtig dramatisch. Im Ernst. Weg, Verfluchter! Ich hab

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