Versunkene Gräber: Kriminalroman (German Edition)
ermittelt?«
»Nein. Die Beweisstücke sind ausreichend.«
»Fingerabdrücke auf der Tatwaffe?«, fragte ich ins Blaue hinein. »Die können von jedem stammen.«
»Am Tatort hat man Fußabdrücke von drei Personen festgestellt. Zwei konnten zugeordnet werden: die Gummistiefel von Herrn Zieliński und die Turnschuhe von Herrn Schwerdtfeger. Die dritten sind wahrscheinlich Cowboystiefel Größe achtunddreißig.«
Marie-Luise hatte sich das Paar von einer Mexikoreise aus Chihuahua mitgebracht. Silberne Spitzen. Sie liebte diese Schuhe. Wahrscheinlich hatte sie die Stiefel sogar im Bett an. Und auf einem Friedhof in Janekpolana.
Noch in Vaasenburgs Büro hatte ich geglaubt, dass das, was die Spurensicherung sichergestellt hatte, jeder einigermaßen gewiefte Anwalt infrage stellen könnte. Inzwischen sah die Sache schon schwerwiegender aus.
Der Kellner stellte im Vorübersegeln ein Glas Wasser ab. Es schwappte über. Als Zuzanna es nahm und einen Schluck trank, blieb ein dunkler, runder Fleck auf der Tischdecke zurück.
»Aber die Waffe …«
»Ein Eisenrohr. Eine lange, rostige Stange. Sie wurde auf dem Hof von Zieliński sichergestellt. Noch nicht einmal das Blut war abgewischt. Darauf fanden sich Fingerabdrücke von Herrn Zieliński und weiteren Personen. Wir warten noch auf die Abgleiche.«
Ich schluckte. »Stand zufälligerweise ein alter Volvo in der Nähe?«
»Nein. Warum?«
Weil Marie-Luise so einen Wagen fuhr. Und diese Eisenstange immer auf dem Rücksitz lag. Die Maschine bockte manchmal. Ein Schlag auf den Motorblock und schon schnurrte sie wieder.
Zuzanna stellte das Glas ab und seufzte. »Sie sind nicht nur ihr Anwalt. Sie sind Freunde. Es muss ein Schock für Sie sein. Aber Sie wissen sicher auch, dass niemand mit einem Schild um den Hals herumläuft, auf dem ›Ich bin ein potenzieller Mörder‹ steht. Ich verurteile Sie nicht, weil Sie an die Unschuld der beiden glauben.«
»An was glauben Sie?«
Sie presste die Lippen aufeinander und wich meinem Blick aus. Tat so, als würde sie die Palmen bewundern, die nahe an den Tischen standen. Einen Vogel im Dickicht beobachten.
»Zieliński leugnet, ist jedoch so gut wie überführt«, sagte sie schließlich. »Vielleicht hatte er wirklich einen Blackout, aber das schützt ihn nicht vor einer Verurteilung. Ich werde auf gefährliche Körperverletzung mit Todesfolge gehen. Wenn …«
»Wenn was?«
»Wenn das Geld wieder auftaucht.«
Wenn nicht, war es um Jaceks Kopf geschehen. Er würde für mindestens fünfundzwanzig Jahre hinter Gitter wandern. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, formulierte Zuzanna meine Befürchtungen klarer, als mir lieb war.
»Die Rolle von Frau Hoffmann muss eindeutig geklärt werden. Ich warte noch auf das Gutachten der Rechtsmedizin. Dann wissen wir mehr. Wie der Schlag ausgeführt wurde, aus welchem Winkel.«
»Wie viele?« Meine Stimme klang heiser. Ich leerte das Bier in einem Zug.
»Einer. Dafür mit großer Wucht.«
»Das spricht gegen eine Frau.«
»Das spricht gegen eine schwache Frau.«
»Verdammt noch mal!«, rief ich. »Auf welcher Seite stehen Sie eigentlich?«
Die Radfahrer, ein Liebespaar und eine Familie mit zwei kleinen Kindern wendeten unisono die Köpfe in unsere Richtung. Zuzanna hob die Augenbrauen. Wenn ich mich nicht täuschte, lag ein minimaler Triumph in ihrem Blick. Das mochte sie also. Andere zur Weißglut bringen. Jacek hätte es kaum schlechter treffen können. Zwei Hitzköpfe, wunderbar.
»Ich verteidige Herrn Zieliński, nicht Frau Hoffmann. Es ist meine Aufgabe, entlastende Hinweise nicht zu ignorieren, sondern in die Ermittlungen einfließen zu lassen. Herr Zieliński hat die Tat nicht allein begangen. Wer weiß, vielleicht wollte er sogar Frau Hoffmann daran hindern zuzuschlagen. Dann bekommt er nur drei Jahre. Und Frau Hoffmann lebenslänglich.«
»Das ist absurd. Sie ist eins sechzig groß und wiegt keine fünfzig Kilo.«
Nun wurde sie sauer. Wahrscheinlich hatte sie sich Marie-Luises Personenbeschreibung gar nicht richtig angesehen. Ich kannte ein Lichtbild von ihr, das nach der Festnahme bei einer Sitzblockade gegen einen Castor-Transport aufgenommen worden war. Wütend, mit zerzausten Haaren und aufgeplatzter Unterlippe starrte sie in die Kamera. Wenn das Foto zur Fahndung verwendet wurde, war es kein Wunder, dass man sie für eine gewaltbereite Schlägerin hielt.
»Und das Geld?«, zischte Zuzanna. »Dreißigtausend Euro. Sie sind verschwunden. Es heißt, Frau
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